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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Männern durchzusetzen. 1926 wurde sie außerordentliche Professorin für Kernphysik an der Berliner Universität. 1933 wurde ihr die Lehrbefugnis aufgrund ihrer jüdischen Abstammung entzogen, sie konnte aber ihre Arbeit vorerst an dem nichtstaatlichen Kaiser-Wilhelm-Institut in Dahlem fortsetzen. Was für die aus Wien stammende Lise Meitner eine spannende wissenschaftliche Zeit mit einem internationalen Wettlauf und großen Entdeckerfreuden hätte werden können, erfuhr jedoch plötzlich eine brutale Unterbrechung. 1938, als Deutschland unter dem Jubel der Bevölkerung Österreich annektierte, verlor sie, nun deutsche Staatsbürgerin, den Schutz, den Wiener Juden bis zu diesem Zeitpunkt in Nazideutschland noch genossen hatten. Ihr drohten Verhaftung und Konzentrationslager, und sie floh über die Niederlande und Dänemark nach Schweden. Zur Untätigkeit verdammt, schrieb sie im März 1939 nach Berlin: »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was es für einen Menschen meines Alters bedeutet, seit neun Monaten in einem kleinen Hotelzimmer zu wohnen und mit der Angst, dass niemand die nötige Zeit hat, um meine Angelegenheiten in Berlin vorwärtszubringen. Und hier im Institut bin ich auch ganz ohne Hilfe. Mein Leben ist so leer, dass es wirklich nicht dafür steht, ein Wort darüber zu sagen.«
    Einige der von ihr genannten »Angelegenheiten« wurden jedoch vorangebracht. Der Chemiker Otto Hahn – das »Hähnchen«, wie sie ihn zu nennen pflegte –, mit dem sie lange und erfolgreich in Berlin zusammengearbeitet hatte, und dessen Mitarbeiter Fritz Straßmann untersuchten mit zunehmender Neugierde, was passiert, wenn Neutronen auf Uran treffen. Bei ihren Versuchen gingen sie unter anderem einer vagen Nachricht nach, die aus dem Laboratorium von Irène Joliot-Curie gekommen war und der zufolge bei einem solchen Beschuss gar keine Transurane mit höherer Ordnungszahl (höher als 92) entstehen. In Paris vermutete man vielmehr, dass Elemente mit kleinerer Ordnungszahl – wie das Radium mit der Ordnungszahl 88 – gebildet werden. Hahn und Straßmann wollten dies überprüfen – und kamen aus dem Staunen nicht mehr
heraus. Die vermuteten Radiumatome verhielten sich eher wie Bariumatome, sie mussten, da das Element Barium die Ordnungszahl 56 trug, ungefähr halb so groß wie die von Neutronen getroffenen Uranatome sein. Mit anderen Worten: Der Schluss ließ sich nicht mehr vermeiden, dass sie bei den Versuchen den Kern des Uranatoms zerteilt hatten oder dass er zerplatzt war. Im Rückblick können wir sagen, dass Hahn und Straßmann die Kernspaltung entdeckt hatten. Es war ihnen gelungen, ohne dass sie es wissen konnten oder ein Wort für den Vorgang zur Verfügung hatten.
    Lise Meitner, die untätig in Schweden ausharren musste und ungeduldig auf Nachrichten aus Berlin wartete, beschrieb 1963 in einem Beitrag über »Wege und Irrwege zur Kernenergie«, was im Dezember 1938 passiert war, als Hahn und Straßmann das Barium gefunden und ihr davon berichtet hatten:
    Ich möchte betonen, dass dieser Nachweis [des Bariums] bei der geringen Intensität der zu identifizierbaren Präparate wirklich ein Meisterstück radioaktiver Chemie war, das in der damaligen Zeit kaum jemand anderem hätte gelingen können als Hahn und Straßmann. Hahn teilte mir brieflich Weihnachten 1938 das sowohl ihn als auch Straßmann sehr überraschende Resultat ihrer letzten Versuche mit. Ich war damals an der schwedischen Westküste in Kungälv, um dort mit [meinem Neffen] Otto Robert Frisch, der von Kopenhagen [also von Niels Bohr] herübergekommen war, ein paar gemeinsame Weihnachtsfeiertage zu haben. Begreiflicherweise klang Hahns Brief richtig aufgeregt, und er fragte, was ich als Physikerin über dieses Ergebnis dächte. Ich wurde beim Lesen des Briefes selbst ganz aufgeregt vor Erstaunen und – ehrlich gesagt – auch beunruhigt. Ich kannte zu genau Hahns und Straßmanns ungewöhnliches chemisches Wissen, um auch nur eine Sekunde an der Richtigkeit ihrer überraschenden Ergebnisse zu zweifeln. Ich begriff, dass diese Resultate einen ganz neuen wissenschaftlichen Weg eröffneten – aber wie sehr waren wir in den frühen Arbeiten [bei der Suche nach Transuranen] in die Irre gegangen.

    Lise Meitner begann nach der Lektüre bei einem Spaziergang durch die weihnachtliche Stille mit ihrem Neffen eine Diskussion über die Frage, was mit und in einem Urankern passiert, der von einem Neutron (oder mehreren) getroffen wird und dabei in Stücke zerplatzt.

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