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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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kann wissen, ob er nicht einen Giftzahn hat oder eine andere Waffe, die noch gefährlicher ist? Es wird
     wohl das beste sein, wenn ich versuche, erst ein wenig Näheres über ihn zu erfahren, ehe ich mich mit ihm einlasse.«
    »Der Herrenhof heißt Mårbacka,« erwiderte die Eule, »und hier haben in alten Zeiten gute Menschen gewohnt Aber was für einer
     bist denn du?« – »Ich gehe mit dem Gedanken um, hierher zu ziehen,« sagte der Junge, ohne die Frage der Eule geradezu zu beantworten.
     »Glaubst du, daß sich das machen ließe?« – »Ach ja, es ist übrigens jetzt nicht weit her mit dem Hof, im Vergleich zu dem,
     was er früher gewesen ist,« entgegnete die Eule, »aber es läßt sich hier ja immerhin leben. Es kommt freilich darauf an, wovon
     du zu leben beabsichtigst. Denkst du daran, dich auf die Mäusejagd zu legen?« – »Nein, Gott soll mich bewahren!« sagte der
     Junge, »Die Gefahr ist wohl größer, daß mich die Mäuse auffressen, als daß ich ihnen Schaden zufüge.«
    »Ob er wohl wirklich so wenig gefährlich sein sollte, wie er sagt?« dachte die Nachteule. »Ich will doch lieber einen Versuch
     machen.« Sie schwang sich in die Luft empor, und einen Augenblick später hatte sie die Krallen in Niels Holgersens Schulter
     geschlagen und hackte nach seinen Augen. Niels hielt eine Hand vor die Augen und suchte sich mit der anderen zu befreien.
     Gleichzeitig schrieer aus Leibeskräften um Hilfe. Er merkte, daß er sich wirklich in Lebensgefahr befand, und er sagte zu sich selbst, daß es
     diesmal sicher mit ihm aus sein würde.
    *
    Aber nun muß ich erzählen, wie merkwürdig es sich traf, daß gerade in demselben Jahr, als Niels Holgersen mit den Wildgänsen
     reiste, in Schweden eine Schriftstellerin war, die ein Buch über ihre Heimat schreiben sollte. Es sollte so ein Buch sein,
     das die Kinder in den Schulen lesen konnten. Hierüber hatte sie nun von Weihnacht bis zum Herbst nachgedacht, aber sie hatte
     noch nicht eine einzige Zeile von dem Buch geschrieben, und schließlich war sie des Ganzen so überdrüssig gewesen, daß sie
     zu sich selbst sagte: »Hierzu bist du nicht zu gebrauchen, setze dich lieber hin und dichte Geschichten und Märchen, wie du
     es sonst getan hast, und laß jemand anders dies Buch schreiben, denn es soll lehrreich und ernsthaft sein, und es darf kein
     unwahres Wort darin stehen!«
    Sie war eigentlich entschlossen, ihr Vorhaben aufzugeben, aber sie hatte sich so darauf gefreut, etwas Schönes über Schweden
     zu schreiben, daß es ihr schwer wurde, den Gedanken ganz aufzugeben. Schließlich kam es ihr in den Sinn, daß sie vielleicht
     deswegen nicht mit der Arbeit zustande kommen könne, weil sie in einer Stadt saß und nichts weiter vor sich sah als Straßen
     und Mauern. Wenn sie aufs Land hinausreiste, wo sie Wälder und Felder sehen könne, würde es vielleicht besser gehen.
    Sie stammte aus Värmland und war sich ganz klar darüber, daß sie das Buch mit dieser Landschaft beginnenlassen wollte. Und vor allen Dingen wollte sie von dem Hof erzählen, auf dem sie herangewachsen war. Es war ein altmodischer
     Herrenhof, der weltabgeschieden dalag, und auf dem sich viele altertümliche Sitten erhalten hatten. Sie dachte, es würde die
     Kinder amüsieren, von den vielen verschiedenen Beschäftigungen zu hören, die einander im Laufe des Jahres ablösten. Sie wollte
     ihnen erzählen, wie Weihnacht und Neujahr und Ostern und das Johannisfest in ihrem Hause gefeiert worden war, was für Möbel
     und Hausgerät sie gehabt hatten, und wie es in Küche und Vorratskammer, auf der Tenne und in der Scheune, im Stall und in
     der Backstube ausgesehen hatte. Aber als sie sich dann anschickte, darüber zu schreiben, wollte die Feder nicht vom Fleck.
     Sie konnte nicht begreifen, woher es kam, aber es war nun einmal so.
    Es stand ja freilich im Geiste alles so deutlich vor ihr, als lebe sie noch mitten dazwischen. Aber sie sagte sich selbst,
     wenn sie nun doch einmal aufs Land reisen wolle, so könne sie ebensogut nach dem alten Hof hinausfahren und sich dort noch
     einmal umsehen, ehe sie darüber schrieb. Sie war seit vielen Jahren nicht dort gewesen, und eine Veranlassung, dahin zu reisen,
     war ihr willkommen. Im Grunde hatte sie immer Heimweh nach dem Heim ihrer Kindheit, wo sie auch sein mochte. Sie sah sehr
     wohl ein, daß es andere Orte gab, die schöner und auch besser waren, aber nirgends fand sie den Frieden und die Traulichkeit,
     die stets auf dem

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