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Niemand, Den Du Kennst

Titel: Niemand, Den Du Kennst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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es als schnörkellose journalistische Arbeit angegangen wäre, dann hätte ich niemals das Herz der Geschichte gefunden.«
    »Was, wenn die Figur in deinem Buch nichts mit dem echten Mann gemein hat? Was, wenn McConnell es nicht getan hat?«
    »Die Möglichkeit kann man nicht vollständig ausschließen.«
    »Ist es dir denn völlig gleichgültig, dass du möglicherweise das Leben eines Unschuldigen ruiniert hast?«
    »Ihn als unschuldig zu bezeichnen halte ich für etwas gewagt«, sagte Thorpe. »Nehmen wir mal kurz an, er hätte Lila nicht getötet; dann wäre er immer noch schuldig, eine außereheliche Affäre gehabt und deine Schwester benutzt zu haben, um seinen Ehrgeiz, die Goldbachsche Vermutung zu beweisen, voranzutreiben.«
    »Bei einem Tatsachenroman erwarten die Leute, die Wahrheit zu lesen.«
    »Weißt du noch, was Oscar Wilde im Vorwort zum Bildnis des Dorian Gray schrieb? ›Es gibt weder moralische noch unmoralische Bücher. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. ‹ Hoffentlich war meins gut geschrieben und hat etwas Vergnügen bereitet. Ich habe nur versucht, eine gute Geschichte zu erzählen. Und je tiefer ich in das Buch eindrang, desto klarer wurde mir, dass es nur einen perfekten Schluss geben konnte. Als ich das begriffen hatte, war das eigentliche Schreiben der Geschichte, wie der Route auf einer Landkarte zu folgen.«
    Thorpe lehnte sich zurück. »Hör mal, ich dachte, wir könnten
uns bald mal treffen. Ich habe am Samstag eine Signierstunde bei Books Inc. im Opera Plaza. Danach könnten wir irgendwo in der Gegend zusammen zu Mittag essen.«
    Der Himmel wurde langsam heller. Es war kurz vor fünf, und die Welt würde sich schon bald wach gähnen. Ich erkannte, dass der einzige Weg, von Thorpe das zu bekommen, was ich wollte, war, seine eigene Taktik gegen ihn zu verwenden. Meine Mutter hatte mir einmal erzählt, dass ihr Erfolg als Rechtsanwältin unter anderem in ihrem Umgang mit der Zeugenbank begründet war. Viele Anwälte, sagte sie, machten den Fehler, ein Kreuzverhör vom Standpunkt des Aggressors aus zu beginnen. In ihrem Eifer, ihre eigenen Argumente zu untermauern, drangsalierten sie die Zeugen. Sie selbst betrachtete sich zu Beginn eines Kreuzverhörs als Unterhändlerin. Vor dem Prozess brachte sie so viel wie möglich über die Zeugen in Erfahrung und schnitt die Fragen auf jede einzelne Persönlichkeit zu. Auf diese Weise konnte sie das Gespräch in die Richtung lenken, die sie haben wollte.
    Indem er mich um ein Wiedersehen bat, hatte Thorpe eine Tür geöffnet.
    »Nehmen wir mal rein theoretisch an, dass McConnell es nicht war«, sagte ich. »Wer sonst könnte es getan haben?«
    Thorpe stand auf und fing an, den Tisch abzuräumen. »Wir könnten danach zum Mangosteen gehen. Ausgezeichneter kleiner Vietnamese. Das beste Rindfleisch mit Knoblauch in der ganzen Stadt.«
    Ich ging auf seine Einladung nicht ein und machte weiter. »Du hast Dutzende von Leuten für dieses Buch befragt. Es muss noch andere gegeben haben, die infrage kamen.«
    »Hast du jemals Mangostansaft getrunken? Schmeckt köstlich.«

    Er brachte die Teller in die Küche, und ich folgte ihm mit den Gläsern und den Pizzaresten.
    »Ich erwarte ja nicht, dass du dich auf Anhieb erinnerst. Aber du musst doch irgendwo noch Notizen aufbewahrt haben.«
    Er stellte das Geschirr in das bereits volle Spülbecken, quetschte etwas Spülmittel auf den Stapel und drehte das heiße Wasser auf. »Das lassen wir einweichen.«
    »Ich mag Vietnamesisch«, sagte ich nach einer kleinen Pause. »Habe ich länger nicht gegessen.«
    Thorpe drehte sich um und lehnte sich an die Arbeitsfläche. Einige Sekunden vergingen. »John Wheeler«, sagte er schließlich. »Er war Hausmeister in Stanford. Ein Student behauptete damals, er habe ihn an dem Abend vor Lilas Tod im Mathegebäude mit ihr sprechen sehen.«
    »An den Namen erinnere ich mich gar nicht aus dem Buch.«
    Thorpe zuckte die Achseln. »Ich habe einmal mit ihm gesprochen. In der Rohfassung kam er noch vor, aber er wurde herausgestrichen - er war nicht besonders interessant.«
    »Hast du eine Ahnung, wo ich ihn finden könnte?«
    Thorpe schüttelte den Kopf. »Das ist Ewigkeiten her. Aber seine alte Adresse habe ich wahrscheinlich noch irgendwo. Komm mit.«
    Wenn das Schlafzimmer der eine Ort in Thorpes Haus war, an dem Sauberkeit herrschte, dann war die Garage der, an dem er jegliche Vortäuschung von Ordnung komplett aufgegeben hatte. Eigentlich sollte sie Platz für zwei

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