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Niemand, Den Du Kennst

Titel: Niemand, Den Du Kennst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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Autos bieten, doch sie war so vollgestellt mit Kisten, Gartengerät, Sportausrüstung und alten Möbeln, dass man hier selbst ein Motorrad nur mit Mühe unterbringen könnte. An der Decke hingen Neonröhren, und in der übertriebenen Helligkeit sah
Thorpe zunehmend mitgenommen aus in seiner verknitterten Leinenhose, dem mit Wein befleckten Pulli und mit seinen Bartstoppeln. Unter seinem Aftershave bemerkte ich einen schwachen, aber unverkennbaren Hauch von Körpergeruch. Im Buch gab es eine Stelle, an der er Peter McConnell als einen modernen Jekyll und Hyde beschrieb, aber ich fand, der Vergleich könnte treffender auf Thorpe selbst angewendet werden. Ich hatte das Gefühl, dass die Garage mehr als jeder andere Raum im Haus für den wahren Thorpe stand - nicht für die gestylte, komponierte Autorenfigur, die er der Welt präsentierte; sondern für den Mann, der er in seinen persönlichsten Momenten war, nicht ganz frisch riechend und unsicher inmitten der Trümmer seines einsamen Lebens.
    »Willkommen im Weinkeller«, witzelte er.
    Ich stolperte über einen alten Teppich, der zusammengerollt auf dem Boden lag, und Thorpe hielt mich am Arm, um mich zu stützen. Wir bahnten uns einen Weg zwischen schwankenden Regalen, einer Hantelbank und mehreren vollen Mülltonnen zu einem in eine Ecke gequetschten Metallaktenschrank. »Hier drin sieht es vielleicht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen«, sagte Thorpe, »aber ob du es glaubst oder nicht, es hat System. Alle Notizen für meine alten Bücher befinden sich in diesem Schrank, chronologisch sortiert, beginnend mit dem ersten Buch.«
    Er zog die oberste Schublade auf und blätterte durch die grünen Hängeordner, die einen muffigen Geruch von altem Papier verströmten. Ich versuchte über Thorpes Schulter hinweg die Etiketten auf den Ordnern zu lesen, doch sie bestanden offenbar aus Daten statt aus Namen. Endlich zog er eine Mappe heraus und blätterte darin herum, bis er auf ein kleines grünes Notizbuch mit der golden eingeprägten Aufschrift Memorandum stieß.

    »Super Notizbuch, oder?«, sagte Thorpe. »FBI-Hinterlassenschaft. Eine Freundin von mir, die dort arbeitet, hat es mir vor Urzeiten geschenkt. Leider werden die nicht mehr hergestellt.« Er leckte sich den Zeigefinger und blätterte durch. »Ach«, sagte er, »es war James.«
    »Wie bitte?«
    »James Wheeler, nicht John Wheeler. Ich hatte den Namen falsch im Kopf. Hier ist seine alte Adresse. Er war damals schon über fünfzig, nicht bei bester Gesundheit. Gut möglich, dass er inzwischen tot ist. Hatte aber eine viel jüngere Frau, wenn ich mich recht erinnere.« Thorpe riss die Seite aus dem Notizbuch und gab sie mir. Darauf standen Name, Adresse und Telefonnummer.
    »Was ist das?« Ich deutete auf die Skizze eines Gesichts unter der Nummer.
    »Ach, nur so eine Angewohnheit. Wenn ich Leute interviewe, zeichne ich sie. Die Opfer zeichne ich auch, nach den Fotos. Hilft mir, mich in die Charaktere zu versetzen. Ich hätte die Skizzen gern ins Buch aufgenommen, aber meine Lektorin meinte, es würde eine falsche Botschaft aussenden.«
    Ich fragte mich, ob er Zeichnungen von Lila hatte, von mir. Ich wollte nach dem Buch greifen, doch er hielt es außerhalb meiner Reichweite. »Ich habe dir nur einen Namen versprochen.«
    »Gibt es noch mehr?«
    Er ließ meine Frage unbeantwortet, und wir gingen zurück zum Haus. Im Hof blieb ich vor dem Springbrunnen stehen, zögernd. Ich wollte ihn immer noch nach dem Blick auf unser Haus fragen. Von Nahem konnte ich sehen, dass das Wasser im Becken grünlich und mit Schaum bedeckt war. Tote Käfer trieben auf der Oberfläche.
    »Willst du ihn haben?«

    »Wie bitte?«
    »Den Springbrunnen. Das war Flos Idee. Ich wollte ihn schon länger loswerden. Du kannst ihn haben, wenn du willst.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich werde es mir überlegen.« Aber uns beiden war klar, dass ich das nicht tun würde. Dann standen wir in der offenen Eingangstür, und mir war bewusst, dass die Gelegenheit, ihn nach dem Fenster zu fragen, verstrichen war. Sein Garten wirkte im Morgenlicht ungepflegter als bei meiner Ankunft nachts. Der Lavendel war matt und braun, und das kleine Beet musste dringend gejätet werden.
    »Dann sehen wir uns am Samstag?«
    Ich nickte. Er stand in der Tür und sah mir zu, wie ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel suchte und ins Auto stieg. Gerade, als ich losfahren wollte, kam er auf den Bürgersteig gerannt und klopfte an meine Scheibe.
    »Bequeme Schuhe«, sagte

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