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Niemand, Den Du Kennst

Titel: Niemand, Den Du Kennst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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hätten. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich ihn schützen möchte. Ich fühle mich in gewisser Weise verantwortlich für das, was passiert ist.«
    »Verantwortlich? Aber warum denn?«
    »Man könnte wohl sagen, dass ich ihn zu der Beziehung ermutigt habe. Ein perfekter Partner ist so selten wie eine vollkommene Zahl. Ich habe mich immer glücklich geschätzt, weil ich meine perfekte Partnerin schon früh im Leben getroffen habe und so klug war, sie zu heiraten. Jeder konnte sehen, dass Margaret und Peter nichts gemein hatten und es
zwischen ihnen keine Zärtlichkeit gab. Lila hingegen - als ich sie kennenlernte, war mir sofort klar, dass die beiden füreinander geschaffen waren.«
    »Sie kannten meine Schwester?«, fragte ich überrascht.
    »Ja, Peter stellte sie mir schon bald vor. Er wollte sie dabeihaben, wenn er mir verkündete, dass sie Goldbach in Angriff nehmen wollten. Ich weiß nicht, wie gut Sie informiert sind …«
    »Lila hat mir ein bisschen davon erzählt - dass die Vermutung erstmals 1742 aufgestellt wurde und viele große Geister daran gescheitert sind. Jede gerade Zahl größer als 2 kann als Summer zweier Primzahlen geschrieben werden.«
    »Exakt. Ein Mathematiker kann leicht aus dem Gleis geraten, indem er sich auf ein einziges, unerreichbares Ziel fixiert. Nehmen Sie nur Louis de Branges und die Riemannsche Hypothese. Neben Goldbach und bis vor kurzem Fermat ist die Riemannsche Hypothese eines der schwierigsten ungelösten Probleme der Welt. De Branges hat fünfundzwanzig Jahre daran gearbeitet und 2004 seinen Beweis im Internet veröffentlicht. Aber niemand hat sich groß darum gekümmert, und bis heute steht eine Überprüfung durch einen Fachkollegen aus. Das Seltsame daran ist, dass De Branges kein unbeschriebenes Blatt ist; in den Achtzigern hat er die Bieberbachsche Vermutung bewiesen, in jedem Fall eine wichtige Errungenschaft. Als er diesen Beweis veröffentlichte, traf er auf viel Skepsis, ganz ähnlich wie jetzt bei seinem Riemann-Beweis. Es war, als wollten alle, dass er falsch lag. Doch im Endeffekt setzte sich die Arbeit durch. Strittig ist im Fall der Riemannschen Vermutung, dass er mathematische Werkzeuge benutzt hat, in denen er einer der wenigen Experten ist - Spektraltheorie beispielsweise -, weshalb ein Team zusammenzustellen, das zur Überprüfung des Beweises qualifiziert ist, ein gewaltiges
Unterfangen wäre. Auch nicht gerade hilfreich ist dabei die Tatsache, dass er ein ziemlicher Unsympath ist. Dazu kommt noch, dass er 1964 behauptete, einen Beweis für die Existenz invarianter Unterräume für stetige Transformationen in Hilbert-Räumen zu haben. Doch seine Behauptung erwies sich als falsch, und für diesen Fehler hat er teuer bezahlt, was seine Glaubwürdigkeit betrifft. Mathematiker haben, im Guten wie im Bösen, ein Elefantengedächtnis. Inzwischen ist De Branges über siebzig. Ich muss zugeben, dass ich ihm die Daumen drücke, sei es nur, weil ich mich für ihn freuen würde, wenn er der Welt zeigte, dass auch ein alter Bursche wie er noch das Stehvermögen haben kann, einen solch enormen Beitrag zu leisten.«
    Carroll lächelte. »Sie müssen mir verzeihen. Man entsagt der Rolle des Mathematikprofessors nicht so leicht. Es steckt im Blut. Wie Poincaré sagte: ›Zum Mathematiker wird man geboren, nicht gemacht.‹«
    »McConnell und meine Schwester«, hakte ich nach. »Sie haben die beiden ermuntert?«
    »Ja, ganz am Anfang fragte Peter mich um Rat. Mir fiel kein logischer Grund ein, eine unglückliche und unergiebige Ehe fortzusetzen. Wenn sich eine Gelegenheit zum Glück so deutlich darbietet, sagte ich zu ihm, müsse man sie beim Schopf packen. Ich glaube nicht an diesen Quatsch vom tragischen Genie. Ich bin der Ansicht, ein Mensch leistet die beste Arbeit, wenn sein häusliches Leben glücklich verläuft. Sehen Sie sich Ramanujan an, mit all seinen brillanten Ergebnissen und verblüffenden Einsichten - aber mit zweiunddreißig in irgendeinem indischen Slum an Tuberkulose gestorben. Mit zweiundzwanzig eine arrangierte Heirat mit einem neunzehnjährigen Mädchen. Er hätte der Welt der Mathematik viel mehr gegeben, wenn er sich ein friedliches
Familienleben mit einer ebenbürtigen Gefährtin aufgebaut hätte.
    Sie sehen also, mein Ratschlag für Peter war nicht ganz uneigennützig. Ich war überzeugt, dass er und Lila, wenn sie zusammenarbeiteten, etwas Außergewöhnliches erreichen konnten. Natürlich erwartete ich nicht, dass sie Goldbach beweisen

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