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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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dann gab die Stimme ihr wieder dieselbe Antwort.
    Kendall legte auf. »Mist.«
    Ungeduldig schnipste sie den Daumen gegen die Ecke des Briefes. Die Adoptionspapiere, die Irene und Henry Shaw gehabt haben mochten, waren offenbar seit Langem verschollen. Im Safe ihrer Mutter waren sie jedenfalls nicht gewesen. Kendalls einzige Hoffnung, etwas über ihre biologische Familie herauszufinden, war diese Agentur. Und die hatte keinen Telefoneintrag mehr.
    Wieder schaute sie auf den Brief. Das Kind, dessen Name jetzt Kendall Elizabeth Shaw lautet, ist nun das rechtmäßige Kind von Henry und Irene Shaw. Das Gericht hat alle das Kind betreffenden Geburtsunterlagen unter Verschluss.
    Unter Verschluss.
    Kendall musste an Carnie Winchester denken, deren Adoptionsunterlagen ebenfalls unter Verschluss gehalten wurden. Nicole hatte gesagt, Carnie sei eine Meisterin darin, biologische Familien und Adoptivfamilien zusammenzubringen. Sie würde dieses Durcheinander entwirren können.
    Jedes Mal, wenn Fragen in ihr aufgestiegen waren, war Kendall vor ihnen davongelaufen. Jetzt spürte sie, dass sie keine andere Wahl mehr hatte, als sich ihnen zu stellen.
    Jacob und Zack trafen am Sonntagabend kurz nach elf am Outer Limits ein. Der Pub befand sich in einem Einkaufszentrum an der Grenze zwischen Henrico County und Goochland County und lag zwischen einem Eisenwarengeschäft und einem Weinladen. Das Panoramafenster, in dem eine Leuchtreklame für Bier blinkte, wurde von Weihnachtslichterketten umrahmt. Der Parkplatz war mit den Autos der Gäste voll besetzt.
    Die Polizisten stiegen aus. Jacob schlang die Arme zum Schutz gegen die Kälte um sich. Die eisige Luft drang durch seine Jacke und stach ihm ins Gesicht. Er zog den Kopf ein und schob sich durch die Eingangstür des Pubs. Warme Luft, Stimmengewirr und Musikgedudel schlugen ihnen entgegen. Zack schloss die Tür und blieb hinter Jacob stehen.
    Der Raum war lang und schmal. Rechts befand sich eine lang gezogene Bar aus Eichenholz. Dahinter beleuchteten Deckenstrahler Regale mit Hunderten von Spirituosen. Links von der Bar gab es Nischen mit Eckbänken und dazwischen ein halbes Dutzend Tische, die alle besetzt waren.
    »Ganz schön voll«, meinte Zack. Er musste ziemlich laut sprechen, um sich über die Musik hinweg verständlich zu machen.
    Jacob sah zu einem Schild hinüber, auf dem Richmonds Burger No. 1 stand. »Der Besitzer heißt Paul Jefferson.«
    In diesem Augenblick fiel ihm ein Mann hinter der Bar auf. Er hatte die große, schlanke, muskulöse Figur eines Läufers und rotes, von der Sonne gebleichtes Haar. Er war Mitte vierzig und trug ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift Kona und eine khakifarbene Hose. »Der Typ sieht aus, als käme er gerade vom Strand«, sagte Jacob.
    Zacks Augen verengten sich unmerklich. »Ich kenne ihn. Vor zehn Jahren hat er mehrere Ironmans gewonnen. Dann hat er sich bei einem Fahrradunfall ein Knie oder eine Schulter verletzt. Damit war seine Karriere zu Ende.«
    Jacob schüttelte den Kopf. »Lycra und Spandex. Fahrräder, die kaum ein Pfund wiegen. Ich habe noch nie verstanden, was man daran finden kann.«
    Zack zuckte die Schultern, ohne gekränkt zu sein. »Er ist ein toller Sportler.«
    Aber konnte er auch ein paar Schläge im Ring einstecken? »Mal sehen, was er über Vicky Draper weiß.«
    Sie durchquerten den Raum und drängten sich durch die Gruppe am Ende der Bar. Jacob zückte seine Polizeimarke und hielt sie hoch, als Paul Jefferson sich umdrehte.
    Er schien nicht besonders eingeschüchtert zu sein. Er wandte sich einer Kellnerin zu, die vor der Bar wartete, und händigte ihr zwei frisch gezapfte Biere aus. »Meine Ausschanklizenz ist noch gültig.«
    »Wir kommen nicht wegen Ihrer Ausschanklizenz«, erwiderte Jacob.
    Der Mann machte sich nicht die Mühe, in seine Richtung zu schauen. Er zapfte weiter Bier. Schaum lief vom Gläserrand über seine Hand. »Ich hab viel zu tun. Es ist ziemlich voll, wie Sie sehen.«
    Gereizt steckte Jacob seine Marke wieder ein. »Wir sind hier, um über Vicky Draper zu reden.«
    Paul fluchte leise. »Sie ist einer der Gründe, warum ich mir heute Abend den Arsch aufreiße. Seit zwei Tagen ist sie nicht zur Arbeit gekommen. Als sie gestern Abend nicht aufgetaucht ist, habe ich ihr auf die Mailbox gesprochen. Aber sie hat nicht zurückgerufen. Was hat sie diesmal angestellt?«
    Just in diesem Augenblick wählte einer der Gäste in der Jukebox einen Song von Bruce Springsteen. Jacob wollte nicht schreien, was er

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