Niemand hört dich schreien (German Edition)
war jetzt seit zwanzig Minuten hier. Noch zehn Minuten, dann würde er sich entschuldigen können, im Bewusstsein, seine Bürgerpflicht getan zu haben.
Das waren die Momente, in denen er seine Frau am meisten vermisste. Julie hatte Menschen gemocht, und sie hatte sich gern unterhalten. Auf einer Veranstaltung wie dieser wäre sie ganz in ihrem Element gewesen. Ein plötzlicher Anflug von Einsamkeit verdarb ihm die Stimmung.
»Sie sehen aus, als hätten Sie auf eine Zitrone gebissen.« Beim Klang der vertrauten Frauenstimme drehte er sich um und musste trotz allem lächeln.
»Nicole Piper«, sagte er.
Sie trug ein weit fallendes Oberteil, das ihren runden Bauch umspielte und über den Bund ihrer ausgeblichenen Jeans fiel. Ihr dunkles Haar umrahmte in sanften Wellen das fein geschnittene, runde Gesicht. Sie trug nur einen Hauch Make-up, doch es war genug, um ihre Augen und die vollen Lippen zu betonen. Verdammt, er freute sich wirklich, sie zu sehen.
»Sergeant Ayden.«
Die Anrede erinnerte ihn daran, dass er mindestens zehn Jahre älter war als sie. »David.«
Blut stieg ihr in die Wangen. »David. Sind Sie hier, um die große Eröffnung zu feiern?«
Jetzt war er froh, dass er hergekommen war. »Für Zack und Lindsay ist es ein großer Tag. Ich hätte mir für niemand anders die Zeit genommen.«
In ihren Augen spiegelte sich Verständnis. »Seit Wochen hat sie von nichts anderem mehr geredet.«
»Zack hat auch nicht gerade wenig darüber gesprochen.« David hätte gern irgendetwas Kluges zu Nicole gesagt, etwas, das sie zum Lachen bringen würde. »Haben Sie gute Bilder gemacht?« Innerlich stöhnte er über die banale Frage.
Nicole sah auf ihre Kamera hinunter. »Ich habe ein ganz tolles von Zack und Lindsay.« Sie schaltete das Display ein und durchsuchte die Bilder, bis sie das richtige gefunden hatte. Sie neigte sich zu ihm hin und drehte den Bildschirm, damit er es sehen konnte. So nah bei ihr konnte er ihr Parfum riechen. Zart. Lieblich. Und doch war sie einer der stärksten Menschen, die er kannte.
Innerlich gab er sich einen Stoß und betrachtete das Bild. Augenblicklich war er beeindruckt. Es war ein großartiges Foto. Nicht das typische Lächeln für die Kamera. Stattdessen lächelte Lindsay jemandem außerhalb des Bildes zu, und Zack betrachtete sie, als bedeute sie alles für ihn. Mit einem Schnappschuss hatte Nicole das Wesentliche ihrer Beziehung eingefangen.
»Sie sind eine sehr begabte Fotografin.«
Nicole errötete. »Danke.«
Nach Julies Tod hatte David nicht viele Gedanken daran verschwendet, eine neue Partnerin zu finden. Freunde hatten ein paar Blind Dates arrangiert, aber keine Frau hatte so sehr sein Interesse geweckt wie Nicole. Sie war Künstlerin. Zehn oder zwölf Jahre jünger als er. Und hochschwanger. Sie war die letzte Frau, die er oder sonst jemand für ihn ausgesucht hätte. Und dennoch musste er sich Mühe geben, nicht wie ein Idiot zu grinsen. Sein Sohn Caleb hatte recht. Sie gefiel ihm.
Bevor ihm etwas einfiel, was er hätte sagen können, kam Dana zu ihnen herüber. Er nahm ihr die Störung übel und kam sich gleich darauf töricht vor. Nicole gehörte ihm nicht.
Dana schüttelte ihm die Hand. Sie hatte einen festen Griff. Trotz ihres Lächelns war ihr Blick kühl und berechnend. »Sergeant Ayden. Gefällt Ihnen die Party?«
Er hob das Glas an die Lippen, dann fiel ihm wieder ein, dass es leer war. »Großartig.«
»Freut mich, dass Sie sich amüsieren.« Dana wandte ihre Aufmerksamkeit Nicole zu.
Er spürte, wie sich Danas Ausstrahlung veränderte. Aus Berechnung wurde so etwas wie Hunger. Hatte Nicole nicht gesagt, dass die Frau ihr unheimlich war?
»Nicole, Sie sehen wunderbar aus«, sagte Dana.
Nicole lächelte, aber er sah die Anspannung in ihren Augen. »Danke.«
David veränderte seine Haltung, sodass er ein klein wenig näher bei Nicole stand. »Sie können sehr stolz auf sich sein, Ms Miller. Es ist ein großartiges Projekt.«
Dana strahlte. »Ich bin auch sehr stolz darauf.«
Für ihn war Small Talk Blödsinn. Aber irgendwo, tief in seinem Innern, hörte er Julie sagen: »Sei nett.« Jemand am anderen Ende des Raums rief Danas Namen. Sie nickte, drückte Nicole die Hand und verabschiedete sich.
Nicoles Haltung entspannte sich, als sie ging.
»Was ist los?«, fragte David. Es hatte keinen Sinn, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Zwischen den Frauen hing eine deutlich wahrnehmbare Spannung.
Nicole sah zu ihm auf. Er erwartete, dass sie jeden Anlass
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