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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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kleinen Foto von ihm. Dieser Titel »Tochter« kam mir grotesk vor. Aber die Karte war offenbar ein Sesam-öffne-dich, um sich innerhalb des Geländes von Bab al-Aziziya frei bewegen zu können und sogar in die Stadt hinauszugehen, durch die zahlreichen Sicherheitstore hindurch, an denen bewaffnete Armeeangehörige standen. Sehr viel später erfuhr ich, dass niemand im Unklaren war über den Status dieser »Töchter« und ihre eigentliche Funktion. Aber sie legten großen Wert auf ihre Karte. Sicher, man hielt sie für Huren. Aber Achtung! Es waren die Huren des höchsten Führers. Und deshalb begegnete man ihnen überall mit Respekt.
    Am vierten Tag war die Sippschaft zurück und das ganze Souterrain in heller Aufregung. In seinem Gepäck hatte der Führer eine Schar Afrikanerinnen mitgebracht, blutjunge Mädchen und auch einige ältere, geschminkt, mit tiefen Dekolletés, in Boubous oder hautengen Jeans. Mabruka spielte die Hausherrin und bemühte sich sehr um sie. »Amal! Soraya! Bringt Kaffee und Kuchen, beeilt euch!« Wir hetzten also zwischen der Küche und den Salons hin und her, schlängelten uns zwischen diesen fröhlichen Mädchen durch, die voller Ungeduld darauf warteten, den Oberst sehen zu können. Er war noch in seinem Büro, im Gespräch mit einigen bedeutend aussehenden afrikanischen Herren. Nachdem sie fort waren, sah ich, wie die Frauen eine nach der anderen ins Zimmer des Führers hinaufgingen. Ich betrachtete sie von weitem und hätte ihnen so gern zugerufen: ›Achtung, er ist ein Monster!‹, aber auch: ›Helft mir, hier rauszukommen!‹ Mabruka überraschte meinen Blick und schien ungehalten darüber,dass wir noch im Raum geblieben waren, während sie inzwischen Faisal gebeten hatte zu servieren. »Geht jetzt alle in eure Zimmer zurück«, befahl sie und klatschte in die Hände.
    Mitten in der Nacht kam Salma mich holen und führte mich vor die Tür meines »Herrn«. Ich musste eine Zigarette rauchen, noch eine, und noch eine, dann hat er mich ... Ich weiß gar kein Wort mehr dafür. Es war so entwürdigend. Ich war nur noch ein Objekt, ein Loch. Ich biss die Zähne zusammen und fürchtete mich vor den Schlägen. Dann legte er eine Kassette von Nawal Ghachem ein, der tunesischen Sängerin, und forderte mich auf zu tanzen, weiter und immer weiter, nun schon ganz nackt. Salma kam herein, murmelte ihm ein paar Worte zu, worauf er zu mir sagte: »Du kannst gehen, mein Schatz.« Was war in ihn gefahren? Er hatte mich bisher nie anders als mit Schimpfwörtern angesprochen.
    Eine Polizistin, dreiundzwanzig Jahre alt, kam am nächsten Tag in mein Zimmer, ein niederer Dienstgrad. »Das ist Najah«, sagte Mabruka, »sie wird zwei Tage bei dir wohnen.« Das Mädchen war ganz nett, sehr direkt, ein bisschen frech vielleicht. Und überaus gesprächig.
    »Es sind wirklich alles Dreckskerle!«, so begann sie am ersten Abend. »Sie halten kein Versprechen. Jetzt bin ich schon sieben Jahre bei ihnen und habe immer noch keine Belohnung erhalten. Nichts habe ich bekommen! Nichts! Nicht mal ein Haus!«
    Vorsicht, sagte ich mir. Vor allem nicht darauf eingehen. Vielleicht will sie mir eine Falle stellen. Sie fuhr jedoch fort, und in teilnahmsvollem Ton, der mich besänftigte, sagte sie:
    »Ich habe gehört, du bist die kleine Neue. Hast du dich schon an das Leben in Bab al-Aziziya gewöhnt?«
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr mir meine Mutter fehlt.«
    »Das geht vorüber ...«
    »Wenn ich wenigstens mal mit ihr sprechen könnte!«
    »Sie wird noch früh genug erfahren, was du tust!«
    »Kannst du mir nicht einen Rat geben, wie ich sie erreichen kann?«
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf, dann bleib vor allem nicht hier drin!«
    »Aber ich bin gefangen! Ich habe doch keine Wahl!«
    »Also ich bleibe zwei Tage hier, schlafe mit Gaddafi, das bringt mir ein bisschen Kohle, und dann gehe ich wieder nach Hause!«
    »Aber das will ich auch nicht! Das ist kein Leben für mich!«
    »Du willst raus? Dann spiel die Nervensäge! Wehr dich, schrei rum, sei zickig.«
    »Sie würden mich umbringen! Ich weiß, dass sie dazu fähig sind! Als ich mich einmal verweigert habe, hat er mich verprügelt und dann vergewaltigt.«
    »Dann sag dir eben, dass er die Widerspenstigen besonders liebt.«
    Worauf sie sich, auf dem Bett ausgestreckt und Pistazien knabbernd, einen Porno-Film ansah. »Man sollte immer noch lernen, verstehst du!«, sagte sie und forderte mich auf, mit ihr zu gucken. Ich war perplex. Lernen? Wo sie

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