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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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des Gaddafi-Clans halten, ein Mitglied des inneren Zirkels, mit allem, wasdas an Verdacht auf Korruption und Schandtaten bedeutete. Allein die Vorstellung erschien mir verrückt! Ich eine Komplizin? Ich, die man gekidnappt und unterworfen hatte? Ich, deren einzige Hoffnung auf ein neues Leben darin bestand, dass Gaddafi gestürzt würde und endlich verurteilt für das, was er mir angetan hatte? Ich schrie ins Telefon, dass seine Befürchtungen grotesk, ja unverschämt seien. Dass es der Gipfel sei, mich mit der Clique meines Henkers gleichsetzen zu wollen! Kurze Zeit später hörte ich Gerüchte, wonach Najah und Farida umgebracht worden waren. Und plötzlich bekam ich es mit der Angst zu tun.
    Im August, als der Ramadan begann, erfuhr ich, dass eine Seherin den Tod von Gaddafi und die Befreiung von Tripolis für den 20. des Monats angekündigt habe. Da bin ich zurückgekehrt. Als Erstes habe ich Hicham in seinem kleinen Bungalow aufgesucht, aber die Situation dort war unhaltbar geworden. Es gab kein Wasser mehr, kein Gas, weder Strom noch Benzin. Die Luftangriffe der NATO gingen weiter. Es war das reine Chaos. Am 8. August kam eine Gruppe von Gaddafi-Leuten und bat ihn, gemeinsam mit seinem Bruder an einer nächtlichen Operation in der Nähe von Zawiya teilzunehmen. Ich glaube, es ging darum, eine Familie per Boot außer Landes zu bringen, aber ich gestehe, ich habe nicht alle Einzelheiten verstanden. Vielleicht wollte er mich auch nicht beunruhigen. Es schien ihm nicht zu behagen, aber ich hatte den Eindruck, er hatte keine Wahl. Eines Abends ist er weg. Er ist nie zurückgekehrt.
    Man rief mich an, um mir zu sagen, ihr Boot sei bei einem NATO-Luftangriff getroffen worden. Erschüttert von dieser Nachricht, bin ich zu Hichams Mutter geeilt. Weinend nahmsie mich in die Arme. Und Gott weiß, wie sehr sie unsere Verbindung missbilligte. Ich habe sie mit Fragen bedrängt, aber sie wusste nicht viel mehr als ich. Die Informationen waren widersprüchlich und bruchstückhaft. Alles, was man wusste, war, dass Hicham für tot erklärt worden war. Sein Bruder war neun Stunden geschwommen, um die Küste zu erreichen, er war bis auf ein paar Verletzungen an den Beinen unversehrt. Doch auch er konnte uns kaum mehr sagen. Hicham war verschollen, wir mussten ihn für tot ansehen, auch wenn sein Körper im Gegensatz zu anderen nicht gefunden wurde. Es gab eine Begräbnisfeier. Ich war am Boden zerstört.
    Und dann kam der 23. August und die Befreiung von Tripolis. Das Volk war auf den Straßen, zugleich fassungslos, euphorisch, erleichtert. Die Frauen traten mit ihren Kindern vor die Häuser, trugen die Farben unserer neuen Fahne zur Schau. Die Männer lagen sich in den Armen, tanzten, schossen mit ihrer Kalaschnikow Salven in die Luft und schrien »Allahu Akbar!«. Überall aus den Lautsprechern ertönten die Revolutionslieder. Die Rebellen, erschöpft und glücklich, wurden wie wahre Helden empfangen. Sie hatten die Gefängnisse geöffnet und Bab al-Aziziya im Sturm eingenommen! Es war unvorstellbar. Ich jubelte, applaudierte den vorüberfahrenden Konvois, dankte Gott für diesen Tag, der der größte in der Geschichte Libyens bleiben würde. Aber tief im Innern weinte ich. Ich war ausgelaugt und verloren. Und Hicham war nicht mehr da.
    Die Fernsehkanäle zeigten die ganze Nacht und die Tage darauf faszinierende Bilder von den Rebellentruppen, wie sie in die Zitadelle eindrangen, in die Häuser und Villen des Gaddafi-Clans, wie sie Gegenstände aus dem Besitz des Führers wie groteske Trophäen in die Luft reckten. Man mokierte sichüber seinen billigen Geschmack und den erbärmlichen Luxus in den Häusern seiner Söhne. Gaddafi-Büsten und -Fotos wurden verunstaltet, man trampelte auf ihnen herum, zerstörte sie. Die Villa von Safia wurde als das »Haus der Familie Gaddafi« vorgeführt, wo man neben dem Zimmer seiner Frau dasjenige des Führers vermuten konnte. Ich zuckte mit den Schultern. Es hatte ganz offensichtlich niemand eine Ahnung von dem, was hinter den zahlreichen hochgesicherten Toren von Bab al-Aziziya vor sich gegangen war. Niemand würde sich jemals vorstellen können, dass in seinen Kellergeschossen eine Handvoll erbarmenswerter Geschöpfe gelebt hatte.
    Vorübergehend nahm mich die Freundin eines Kumpels von Hicham bei sich auf, aber Papa war sehr in Sorge um mich, und am 28. August erklärte ich mich einverstanden, mit ihm nach Tunesien zu gehen. Ende September war ich zurück in Tripolis.
    Aber was sollte ich

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