Niemand ist eine Insel (German Edition)
dir. Man zahlt, und du mußt tanzen.
12
E twa eine Stunde später fuhr ein Lieferwagen in den Hof der Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Hôpital Sainte-Bernadette an der Rue de Longchamps. Es war ein gelbgestrichener geschlossener Wagen mit der Aufschrift BLANCHISSERIE IMPERIALE auf beiden Seiten, darunter standen Adresse und Telefonnummer. Zwei Männer in gelben Overalls saßen darin. Der am Steuer sagte: »So weit wären wir also.«
»Das Schlimmste kommt noch«, sagte ich, auf dem Beifahrersitz.
»Dann also mit Gott«, sagte Rod Bracken, am Steuer.
»Raus!« sagte ich.
Wir kletterten ins Freie. Im Hof war es sehr dunkel.
»Wo ist das?« fragte Bracken.
»Da drüben.« Wir gingen in den Eingang der Hals-Nasen-Ohren-Klinik hinein und nahmen den Lastenaufzug. (Ich schwachsinniger Idiotenidiot hatte Sylvia tatsächlich ganz genau erklärt, wie man zu Babs kam!) Der Aufzug ruckelte diesmal ein wenig. Es war jetzt 20 Uhr 35. Und es hatte wieder zu regnen begonnen in Paris …
Damit Sie im Bilde sind, mein Herr Richter:
Nach Ruths Anruf bei Suzy hatte ich eine Weile nachgedacht. Dann war mir ein Einfall gekommen. Ich rief das LE MONDE an. Zu dieser Zeit war die Telefonzentrale noch besetzt, aber die Nachtportiers hatten schon ihren Dienst angetreten.
»Guten Abend. Portier, bitte.«
»Sofort, Monsieur.«
»Und ich kann wirklich nichts tun, gar nichts?« fragte Suzy, in ihrem Baby-Doll-Hemdchen.
»Doch.«
»Was?«
»Deinen Mund halten jetzt, mon petit chou.«
»Portier. Guten Abend!« Als ich diese Stimme hörte, fühlte ich mich besser. Es war die Stimme meines Freundes Lucien Bayard. »Oh, Monsieur Kaven …«
»Pscht. Können Sie fünf Minuten weg von Ihrem Desk?«
»Gewiß. Warum?«
»Neben den Lifts haben Sie dort zwei öffentliche Telefonzellen. Ich gebe Ihnen jetzt eine Nummer. Rufen Sie mich an.« Das fehlte mir noch, daß irgendein Mäuschen aus der Zentrale mithörte, zum Spaßvergnügen. Ich war doch in Madrid, nicht wahr? Lucien rief schon nach zwei Minuten zurück. Ich brauchte ihm die Vorgeschichte nicht zu erklären, die hatte er ja miterlebt.
»Jetzt ist was ganz Scheußliches passiert, Monsieur Lucien. Madame Moran ist in das Hôpital Sainte-Bernadette gelaufen, weil sie unbedingt ihre Tochter sehen wollte. Sie hat es nicht mehr ausgehalten, sie ist aus ihrer Klinik ausgerissen.«
»Merde, alors!«
»Kann man wohl sagen. Ich muß sie schnellstens zurückbringen, Monsieur Lucien – aber so, daß das niemand merkt.« Rod hatte ihm auch von dem Lifting erzählt. »Sie können doch alles. Sie schaffen doch alles. Bitte, helfen Sie mir, Monsieur Lucien. Was können wir tun?«
Er dachte kurz nach, dann: »Mit einem Wagen vom Hotel geht das nicht – zu gefährlich. Taxis ausgeschlossen. Da gibt’s nur eines: die Wäscherei.«
»Was?«
»Na, wir haben doch eine Großwäscherei, Monsieur Kaven. Jedes Hotel hat eine. Jedes Krankenhaus auch. Fällt also nicht auf, wenn Sie da mit so einem Wäscherei-Auto erscheinen. Für uns arbeitet die Großwäscherei ›Imperiale‹. Da ist ein alter Wagenmeister, der schläft immer bei der Garage, in der alle Autos stehen. Ganz armes Schwein.«
»Wieso ganz armes Schwein?«
»Leiht sich dauernd Geld bei mir. Die Pferdchen, hélas! Verliert immer. Zahlt und zahlt nicht zurück. Ist das nicht ein ganz armes Schwein? Was soll ich machen? Gott sei Dank ist das so. Denn diesen Wagenmeister rufe ich jetzt an. Der erweist mir jeden Gefallen! Sie rufen Monsieur Bracken an. Ich gebe ihm die Adresse von der Großwäscherei. Er fährt mit einem Taxi hin. Kriegt einen Wagen …«
»Und wenn nicht?«
»Der kriegt einen, seien Sie ganz ruhig, Monsieur. Mein armes, altes Schwein tut einfach alles für mich. Er bekommt doch immer noch wieder Geld von mir – einmal muß er doch gewinnen, nicht wahr, es ist die einzige Möglichkeit, vielleicht mein Geld wiederzusehen. Ach ja, Overalls muß er Ihnen auch noch geben. Damit es echt aussieht. Kriegen Sie. Kriegen Sie alles, Monsieur Kaven. Monsieur Bracken fährt los, und Sie warten irgendwo auf ihn, und da nimmt er Sie dann mit, und so kommen Sie in das Krankenhaus, kein Mensch stellt Fragen, ich weiß, die sind auch Kunden bei ›Imperiale‹. Sie können gehen, wohin Sie wollen mit Ihren Overalls. Und so bringen Sie Madame ganz leicht wieder aus dem Krankenhaus raus.«
»Monsieur Lucien, das werde ich Ihnen niemals vergessen!«
»Ach bitte, hören Sie auf, Monsieur Kaven. Ist doch selbstverständlich, daß ich
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