Niemand ist eine Insel (German Edition)
Mund öffnete sich, der Körper sackte zusammen. Sylvia war weg, aber diesmal richtig.
»Was ist mit Babs?« fragte ich.
»Schläft«, sagte Dr. Sigrand, während er ein Lid Sylvias hob. »Die Dame auch. Wird ein paar Stunden schlafen jetzt.« Er ging zur Tür, öffnete sie und nickte. Zwei Pfleger mit einer Tragbahre kamen herein.
Ich konnte nur staunen bei dem, was danach geschah. Das war ein aufeinander eingespieltes Team, das waren Experten, Virtuosen, Künstler – ich weiß nicht, warum, aber ich mußte an die berühmten ›Globetrotters‹-Handballspieler denken. Vielleicht weil diese Pfleger und die drei Ärzte sich auch so anmutig ans Werk machten. Sie zogen Sylvia wieder an, soweit das ging. Hoben sie auf die Bahre. Decken darüber. Schnallten sie fest. Einer nahm Hélènes Pelerine und die Haube, die so zusammengequetscht war. Ich nahm wieder meine Brille und setzte sie auf.
»Der Riemen ist verdreht«, sagte der eine Pfleger zu seinem Kollegen, »siehst du das nicht, du Trottel? Nun mach schon …«
»Es ist nicht der Riemen, der verdreht ist, es ist der Verschluß.«
»Dann bring den Verschluß in Ordnung, Kretin!«
»Meine Herren!« (Ruths Stimme.)
»Verzeihen Sie, Frau Doktor. Wir haben es gleich.«
»Let’s go!« sagte Bracken.
Die beiden Pfleger mit der Bahre, auf der Sylvia nun reglos, unter Decken festgeschnallt, lag, verließen bereits den Raum. Ruth und Dr. Sigrand folgten. Der athletische Arzt machte eine höfliche Verbeugung und eine Handbewegung: Nach Ihnen, meine Herren!
Also marschierten wir den Gang hinunter, zu einem anderen Krankentransportlift, und ich bemerkte, daß eine Menge Schwestern und Pfleger und Ärzte vor den Türen standen und aufpaßten, damit wir niemandem begegneten. Nur Sylvias Kopf war zu sehen, aber mein Gott, was für ein Kopf! Mit diesem Kopf sah sie aus wie Frankensteins Großmutter.
Rein in den Krankentransportlift. Na, mit ein bißchen Glück, nur ein bißchen, hatten wir Sylvia jetzt in zwei, drei Minuten in dem Großwäschereiwagen und konnten sie zu Professor Delamare zurückbringen, und alles war noch einmal gutgegangen. Ruck! Der Lift hatte gehalten.
Raus aus dem Lift. Wieder Schwestern, Pfleger und junge Ärzte, die aufpaßten, daß uns niemand begegnete. Das war von Ruth und Dr. Sigrand aufs beste organisiert! Ich mußte mich noch bedanken bei den beiden, wirklich. Raus in den Hof, in die Finsternis, den Regen. Bracken rannte los. Ich sah, wie er die hinteren Türen des Lieferwagens aufriß. Jetzt nur noch hinein mit der Bahre und dann …
Dann passierte es.
Blitzlicht.
Blitzlicht.
Noch eines.
Noch eines.
Sieben im ganzen.
Schlau waren wir gewesen. Nur nicht schlau genug. Aufgepaßt, ob uns jemand folgte, hatte ich auf der Fahrt hierher. Nur nicht aufgepaßt genug. Einer von diesen Reporterhunden hatte uns verfolgt. Ich sah ihn nicht, ich sah bloß, woher die Blitze kamen. Die Brille nahm ich auf alle Fälle ab. Dann rannte ich zu dem Kerl, so schnell ich konnte. Ich flog direkt über ihn, stürzte und tat mir sehr weh. Kam hoch. Erwischte den Kerl am Mantelrevers.
Ich riß ihm zunächst die Kamera aus der Hand und schmiß sie auf den rauhen Steinboden und trampelte auf ihr herum, so kräftig ich konnte.
Der Bursche hatte Mut. Er warf sich auf mich. Ich trat ihn in den Bauch, und er flog gegen die Mauer zurück. Zäher, kleiner Kerl. Er kam schon wieder und schlug mir die Faust ins Gesicht, direkt auf das blaue Auge, es tat verflucht weh. Ich hob ein Knie und erwischte ihn da, und er schrie und flog nach hinten, und diesmal sprang ich ihm nach und warf mich über ihn und fing an, ihm die Fresse zu polieren. Er schlug zurück, so fest er konnte (ganz schön fest), und der Regen fiel auf uns, und ich hörte den Motor des Lieferwagens anspringen und dachte, daß Rod wenigstens soviel Verstand besaß, mit Sylvia abzuhauen.
Das wurde eine massive Prügelei, mein Herr Richter. Dr. Sigrand war plötzlich neben mir. Ich kann Ihnen sagen, mein Herr Richter, dieser Dr. Sigrand schlug zu! Nur leider nicht den Fotografen, sondern mich.
»Aufhören!« schrie er. »Hören Sie auf!«
Ich hörte nicht auf. Ich trat nach Sigrand und schlug dem Fotografen weiter die Fresse voll. Scheinwerfer blendeten, Pneus kreischten, als der Wäschereiwagen im Hof wendete. Plötzlich – der Wagen fuhr zur Ausfahrt, und die war direkt neben mir – lag hier alles in grelles Licht getaucht. Plötzlich sah ich, wen ich da fast zu Klump geschlagen hatte. Den
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