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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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woran ich immer dachte, wenn ich schöne Frauen sah. Da war eine Menge nicht in Ordnung bei mir).
    »Woher weiß der denn, daß wir kommen?« fragte Bracken.
    »Ich weiß nicht, woher er es weiß. Er hat mir Anordnung gegeben, daß Sie sofort, wenn Sie ankommen, zu ihm geführt werden.«

51
    D as kleine Mädchen redete immer wieder vom Tod. Es bat auch oft um einen Spiegel und sah hinein und sagte dann immer wieder: ›Nein, ich kann nicht mehr leben, ich muß sterben, macht mich doch bitte, bitte tot‹.«
    »Wie alt war das kleine Mädchen?«
    »Neun Jahre, Herr Kaven«, sagte Herr Dr. Alfons Wolken aus Winterthur, korrekt wie stets gekleidet, mit blitzblauen Augen, schmalem Gesicht und schütterem Kinnbart.
    »Und was, sagen Sie, hatte die Kleine?«
    »Metastasen an den Schädelknochen«, sagte Dr. Wolken und wippte dabei auf den Fersen, sein Reden solcherart skandierend und dabei den Kopf im Takt hebend und senkend.
    »Und?« fragte Bracken.
    »Die Ärzte in der Zürcher Klinik pflegten es drei Jahre lang, das heißt, sie erfüllten gewissenhaft ihre Pflicht und ihren Eid« – Wippen und Kopfbeugen –, »der, so meine ich, ein Widerspruch in sich selbst ist. Denn im Eid des Hippokrates schwören die Ärzte, Leben zu erhalten und Leiden zu mindern – und es steht doch wohl fest, daß in derartigen Fällen die eine beschworene Pflicht die andere beschworene Pflicht ausschließt, Mister Bracken. Dann bekam das Mädchen Lungenentzündung. Diese wurde – wie es an Tausenden von Kliniken in ähnlichen Fällen geschieht – nicht behandelt, und das arme Kind starb endlich«, sagte Herr Dr. Alfons Wolken aus Winterthur. Er stand im Zimmer von Professor Arias Salmerón, und wenn Sie etwa vermuten, mein Herr Richter, daß Babs’ Privatlehrer auch nur das geringste Zeichen von Verlegenheit oder Erschrecken bei unserem Erscheinen gezeigt hätte, dann muß ich Sie enttäuschen. Ich habe niemals einen Mann so ruhig, selbstsicher und entschlossen gesehen.
    »Das ist ja Mist«, sagte ich. »Babs hat keine Metastasen an den Schädelknochen. Sie hat eine Meningo-Encephalitis. Also was soll das?«
    »Dieses Mädchen verfiel so sehr und sah so grauenhaft aus, daß einem ganz übel wurde, wenn man es ansah. Ich habe dieses Mädchen gesehen, Herr Kaven. Es war eine Schülerin von mir.«
    »Und Ihnen ist übel geworden«, sagte Bracken.
    »Ja, Mister Bracken«, sagte Dr. Wolken.
    »Wenn ich Sie noch lange anschaue, wird mir auch übel werden, Sie elender Scheißkerl«, sagte Bracken. Kind der Bronx, mein Herr Richter. Auf den konnte man sich verlassen. Sogar in Spanien verstand er es fließend, sich so auszudrücken, wie es seine Art war.
    »Meine Herren, ich bitte Sie, meine Herren«, sagte Professor Salmerón. Er war der einzige von uns, der saß – hinter einem gewaltigen Schreibtisch, auf dem eine Madonna stand, die ich gerne gehabt hätte. Professor Salmerón war etwa Mitte fünfzig, groß, schlank, besaß eine kühn geschwungene Nase in einem schmalen, sehr ansprechenden Gesicht und ergrauendes Haar. Er hatte Bracken, Lejeune und mich herzlich begrüßt, als wir kamen. Herr Dr. Wolken hatte uns ebenso herzlich gegrüßt und sich beeilt, uns mitzuteilen, daß er sehr erfreut sei, hier, auf neutralem Boden sozusagen, die Sache auszutragen, wie er es formulierte. Ebenso bereitwillig und höflich hatte er Lejeune, Bracken und mir mitgeteilt, daß er vom LE MONDE aus insgesamt viermal, um Rat und Beistand bittend, mit Professor Salmerón telefoniert und daß dieser ihm vorgeschlagen habe, heute, am 8. Dezember, zu kommen, weil er an diesem Feiertag mehr Zeit hatte, in Ruhe die Sache zu besprechen.
    »Und warum haben Sie niemanden in Paris etwas davon gesagt, daß Sie hierher fliegen wollen?«
    »Das liegt doch wohl auf der Hand, Mister Bracken, nicht wahr?« sagte, wippte, verneigte sich Herr Dr. Wolken. »Sie haben gesehen, daß ich mein ganzes Gepäck bei mir habe.«
    »Sie wollen abhauen, was?«
    »Ich würde das ein wenig ordentlicher ausgedrückt haben, Mister Bracken, aber es kommt auf dasselbe hinaus. Ja, ich gehe. Und zwar aus ganz bestimmten Gründen.«
    »Welchen?«
    »Auf die kommen wir gleich«, sagte Professor Salmerón.
    »Na, und hätte mich ein einziger von Ihrer Gesellschaft im LE MONDE auch, wie Sie es bezeichnen, abhauen lassen?«
    » So sicher nicht«, sagte Bracken.
    »Sehen Sie«, sagte Dr. Wolken. Danach mußte ich über ihn staunen, denn von diesem Moment an dienerte er nicht mehr, wippte

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