Niemand ist eine Insel (German Edition)
zum ersten Mal. Rod Bracken hatte sich tatsächlich genauestens informiert. (Im übrigen trug er nun Maßanzüge und wohnte im Hotel VIER JAHRESZEITEN.)
Was der Prospekt mit weihevollen Worten bekanntgab, hatte Bracken, der Mann, der aus dem Dunkeln kam, an jenem Abend des 12. April 1958 dem Sohn des im Elend verstorbenen Schriftstellers Walden volkstümlich so erläutert: »Die reichen Säcke müssen versteuern, bis sie schwarz werden. Wenn sie uns Geld geben – viel, mehr, sehr viel –, dann haben sie zuerst einmal den psychologischen Triumph-Effekt: Also die Scheißsteuer jedenfalls bekommt diese Penunse nicht! Dazu kommt ein zweiter psychologischer Effekt, nennen wir ihn das ›Prinzip Hoffnung‹: Wenn ›mein‹ Film Geld einspielt, kriege ich davon meinen entsprechenden Anteil! Und werde also noch reicher! Und wenn der Film. danebengeht, habe ich nichts verloren, denn die Steuer hätte mir das Geld auf alle Fälle weggenommen. So habe ich noch die große Chance, zu gewinnen. Das wäre dann der dritte psychologische Effekt: der Roulette-Kitzel!«
Otto Walden war hingerissen.
Noch hingerissener war er, als bei der Bremer Treuhandfirma sehr schnell nach Aussendung des Prospektes die ersten Gelder einliefen – einmal 100000 DM, einmal 300000 DM, einmal 500000 DM.
Rod Bracken begab sich auf Reisen. Er reiste außerordentlich viel in diesem Sommer, man wußte nie genau, wo er sich gerade befand. Jedenfalls schloß er sehr viele Vorverträge mit Schauspielern, Kameraleuten, einem Regisseur – er nahm stets nur das Beste vom Besten. Im August lieferten drei italienische Drehbuchautoren ein fabelhaftes Script ab, und Rod Bracken hatte tatsächlich seine Traumbesetzung beisammen. Im August allerdings wurden Walden und die Treuhandleute aus Bremen hysterisch: Bislang hatten insgesamt dreizehn Kommanditisten einen Gesamtbetrag von 1,7 Millionen DM einbezahlt.
1,7 Millionen!
Und 6,5 Millionen wurden benötigt!
Die Herren aus Bremen sagten harte Worte zu Bracken. Vor Jahresende mußten die 6,5 Millionen da sein. Vor Jahresende mußte mit den Produktionsarbeiten begonnen werden. Sonst sah sich die altehrwürdige Treuhandgesellschaft genötigt, gegen Bracken und Walden namens der Kommanditisten Anzeige zu erstatten. Und Bracken und Walden würden dann im Loch landen.
»Verfluchter Scheißkerl«, sprach Walden zu Bracken.
»Immer mit der Ruhe, Kleiner«, sagte dieser. »Das da eben will ich mal gar nicht erst gehört haben. Klar, daß im August die Penunse noch nicht da ist.«
»Verstehe ich nicht«, sagte Walden.
»Habe ich von Ihnen auch nicht erwartet, Trottel«, sagte Bracken. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir haben unseren privaten Vertrag auf eine Fifty-fifty-Basis gestellt. Jeder bekommt die Hälfte von dem, was an Reingewinn für uns beide abfällt.«
»Es wird überhaupt nichts abfallen!« jaulte Walden auf.
»Ihre Meinung. Mein Vorschlag: Ich übernehme dreißig von Ihren fünfzig Prozent, und wir gehen zu einem Rechtsverdreher und deichseln es so, daß Ihnen auf keinen Fall einer an den Wagen fahren kann, wenn was schiefgeht. Dann sitze ich ganz allein in der Scheiße. Ist das ein Vorschlag, der Ihnen zusagt?«
Walden nickte unter Tränen.
»Wie ich es erwartet habe«, sagte Bracken.
Es bedurfte dreier Anwälte und eines Notars, um Walden entsprechend abzusichern und zu erreichen, daß er des Nachts wieder Schlaf fand. Bracken schlief niemals anders als ausgezeichnet. Denn was er sonst noch erwartet hatte, traf exakt ein. Im September waren es siebzehn Kommanditisten mit insgesamt 2,8 Millionen. Der Oktober brachte einen einzigen Kommanditisten mit 320000 DM. Die Branche hatte ihr Fressen. Bis zum November. Da waren es dann plötzlich vierundfünfzig Kommanditisten mit insgesamt 3,8 Millionen. Am 1. Dezember waren es 111 Kommanditisten mit 6,49 Millionen. Am 10. Dezember waren es 22,7 Millionen, welche Herren aus der Bundesrepublik noch einzahlen wollten. Die Treuhänder sahen sich gezwungen, alles, was über 6,5 Millionen DM ging, abzulehnen – und wenn die Zahlungswilligen mit aufgehobenen Händen auf den Knien angerutscht kamen und flehten: Nehmt, nehmt, nehmt! Nichts ging mehr.
Wie geplant noch vor Weihnachten wurde mit den Produktionsarbeiten begonnen. Es dauerte bis zum 25. September 1960, dann war der Film einsatzfertig, in achtundzwanzig Sprachen synchronisiert, in weiteren neunzehn untertitelt und – rund um den Erdball – an die meistbietenden Verleiher
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