Niemand ist eine Insel (German Edition)
spenden könnten die reichen Eltern doch!«
»Tun sie ja auch.«
»Nicht alle«, sagte Ruth.
»Nein«, sagte ich, »leider durchaus nicht alle. Darum fehlt uns ja dauernd Geld! Darum bin ich hier eigentlich angestellt als der Schnorrer vom Dienst! Sie haben keine Ahnung, wie ich schnorre, bei wem, mit welchen Mitteln.«
»Zum Beispiel.«
»Zum Beispiel«, sagte ich, »habe ich zwei Fußballvereine in Erlangen und in Nürnberg dazu gebracht, zu einem Freundschaftsspiel zu kommen. Da tropften dann beinahe zweitausend Mark herein – nach Abzug aller Unkosten, Spesen und Steuern. Die Spieler verlangten keinen Groschen.«
»Die Steuer schon?«
»Selbstverständlich«, sagte Ruth.
»Die Steuer ist immer da«, sagte ich. »Ob wir – ob ich Theaterabende auf die Beine gebracht habe mit so einer von diesen Grünen-Wagen-Tourneen mit berühmten Schauspielern, ob das ein Schachturnier gewesen ist oder ein Bazar hier in Heroldsheid. Geschäftsleute aus Nürnberg haben alles, was Sie sich nur denken können, umsonst hergegeben. Die Leute in Heroldsheid sind gekommen und haben gekauft. Die Steuer ist auch gekommen.«
»Und Sie sind ständig in der Kreide«, sagte Bend. Er hatte rötliches Haar, die Sonne schien auf seinen Kopf, und das Haar sah seidenweich und sehr fein aus. Und auf dem Gelände der ESTUDIOS SEVILLA FILMS in Madrid verbrennt heute nacht die Hauptstadt von Grusinien, dachte ich, dieser Provinz aus ferner Zeit und dem fernen Kaukasus, ich glaube, da wirken über 4000 Komparsen mit, Sylvia hat Nachtaufnahmen, und der Film, der da gedreht wird, kostet in der Herstellung 25 Millionen! Was wohl alle Geldgeber, alle Beteiligten sagen würden, wenn ich vorschlüge, den ganzen Reingewinn dieses Monstre-Films an Sonderschulen wie diese hier zu überweisen? In die Klapsmühle würden sie mich sperren lassen, dachte ich. Umgehend. Klar.
»Ständig in der Kreide, ja«, sagte ich. »Die Landesregierung hat nun einmal Gesetze, und an die hält sie sich – auch in unserem Fall.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, daß die Landesregierung die Kosten nur für die Schule trägt. Wir müssen jährlich durch eine Betriebsrechnung die auf den einzelnen Schulplatz entfallenden Kosten feststellen. Diese Rechnung ist der Landesregierung vorzulegen. Abgerechnet wird ein bis zwei Jahre nach Vorlage.«
»Ein bis zwei Jahre?«
»Ja«, sagte ich. »So eine Regierung hat viel zu tun, Herr Bend. In der Verordnung heißt es übrigens auch: Schuldner sind das in der Sonderschule untergebrachte Kind …«
»Nein!« rief Bend.
»Aber ja«, sagte ich, »… und die Unterhaltspflichtigen. Wir sind aber nicht nur eine Sonderschule, sondern eine Tagesstätte! Die Kosten, die in der Tagesstätte entstehen, ersetzt die Regierung nicht. Wir müssen sie gesondert in Rechnung stellen und an die Sozialhilfeämter der Gemeinden weiterreichen, aus denen unsere Kinder kommen. Unsere Kinder kommen aus vielen Orten in diesem Landkreis.«
»Und erhalten Sie alles ersetzt?« fragte Bend.
»In den letzten zwei Jahren hat man uns über hunderttausend Mark nicht ersetzt.«
»Mit welcher Begründung?«
»Mit gar keiner. Wir sind schon froh, daß wir überhaupt etwas kriegen.«
Bend regte sich auf: »Wenn das so ist, und wenn die Regierung sich ein bis zwei Jahre Zeit läßt, Ihnen Ihre Ausgaben zu ersetzen, dann brauchen Sie doch Überbrückungskredite.«
»Ja«, sagte ich.
»Von Banken! Zu irrsinnigen Zinsen!«
»Ja, Herr Bend«, sagte ich.
»Jetzt hören Sie mal zu: Meine Zeitung will für Ihre Schule eine Großaktion starten.«
» Sie wollen?« sagte Ruth lächelnd.
»Na ja …« Bend war sehr verlegen. »Ich habe den Vorschlag gemacht, immer wieder, und jetzt …«
»Wie lange?«
»Was wie lange?«
»Wie lange haben Sie den Vorschlag gemacht?« fragte ich.
Er senkte den Kopf.
»Fast zwei Jahre«, sagte er. Er hob den Kopf stolz. »Aber jetzt habe ich sie rumgekriegt, auch die Verbohrtesten. Meine Zeitung bereitet eine ›Aktion Heroldsheid‹ vor. Und ich verspreche Ihnen, wenn diese Serie gelaufen ist – dann haben Sie einen Batzen Geld von unseren Lesern!«
»Täuschen Sie sich bloß nicht«, sagte ich.
»Wieso?«
»Über die Kinder, die hier sind, will keiner etwas lesen.«
Er hob den Kopf und sagte selbstbewußt: »Wenn ich es schreibe, wird jeder es lesen, seien Sie beruhigt, Herr Norton. Und diesmal kommt Ihnen nicht die Steuer dazwischen, das habe ich inzwischen auch geregelt.«
»Hören Sie, dann müßten Sie
Weitere Kostenlose Bücher