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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Dumoulin hat ja auch nicht …«, stotterte der alte Lévy.
    »Was Babs noch hat!« schrie ich.
    »Nicht«, sagte Dr. Sigrand sehr leise.
    »Was nicht?«
    »Nicht schreien, Monsieur Kaven.«
    »Was befürchten Sie also, meine Herren?« fragte ich, und ich mußte mich gegen eine Wand lehnen dabei.
    »Wir befürchten – nein, wir wissen, Monsieur Kaven: Babs hat eine Mittelohrentzündung. Sie können gleich nach ihr sehen, wie es um sie steht. Sie wird Sie nicht erkennen. Sie hat über vierzig Fieber. Das wissen wir also«, sagte dieser Dr. Sigrand. »Mittelohrentzündung. Dazu Masern. Und was wir befürchten: Sie hat oder sie bekommt gerade eine Meningitis.«
    »Was ist das, eine Meningitis?« flüsterte ich.
    »Gehirnhautentzündung, Monsieur Kaven«, sagte Dr. Sigrand.
    Dann sahen sie mich alle wieder an.
    Gehirnhautentzündung.
    Ô Dieu, merci, pour ce paradis …

28
    I ch ging zu der Bar im Salon und goß ein Glas voll Whisky und trank es aus, ohne Eis, ohne Wasser, pur und warm. Dann ging ich in das Schlafzimmer, in dem Babs lag. Die drei Ärzte kamen mit. Der große Raum war nur von einer Nachttischlampe erhellt, die abgedeckt auf dem Boden stand. Babs lag in dem Doppelbett. Riesiges Doppelbett. Winzige Babs. Sturm draußen, alles ächzte, stöhnte, rasselte, keuchte, rüttelte auch hier.
    Nur Babs’ kleiner Kopf sah unter der Decke hervor. Das Haar war schweißfeucht, das Gesicht war schweißfeucht und fleckenübersät von den Masern. Ich sah, daß das Kissen unter Babs’ Kopf schweißdurchtränkt war. Die Augen waren geöffnet, aber wie von Schlieren verhangen. Sah nicht schön aus. Gar nicht schön.
    »Babs!«
    »Und Schiffe«, sagte Babs.
    »Was für Schiffe?«
    »Feuer.«
    Sie sprach kaum verständlich. So etwas hatte ich gerade mit Babs’ Mutter hinter mir. Ich war neben dem Bett in die Knie gegangen und bemühte mich, zu verstehen, was Babs sagte. Kann sein, ich habe gerade etwas Falsches aufgeschrieben. Irgend etwas mit Schiffen war es bestimmt. Babs sprach sehr heiser. Und dazu lallend.
    »Babs!«
    Sie sah zur Decke empor, zu der prunkvollen Stuckdecke dieses prunkvollen Schlafzimmers.
    »Babs! Ich bin es, Phil!«
    »Fliegen«, sagte Babs.
    Ich griff ihre Stirn an. Sie glühte. Ich versuchte, den Kopf ein wenig zu drehen. Da schrie sie wie ein Tier. Ich fuhr zurück.
    »Lassen Sie das, Monsieur Kaven«, sagte Dr. Sigrand. Er leuchtete Babs mit einer Stabtaschenlampe in die Augen, sie blinzelte nicht einmal, sie sah starr in das Licht. »Das Kind hat Sehstörungen. Und Hörstörungen«, sagte Dr. Sigrand.
    »Und vor einer Stunde hatte sie vierzigkommafünf Fieber«, sagte der kleine Dr. Lévy und senkte den kahlen Kopf. Er sprach sehr laut, denn Babs schrie immer weiter. Es klang furchtbar. Kein gequältes Tier schreit so. Babs schrie wie eine Stumme, die gefoltert wird und durch die Folter die Stimme wiederfindet.
    »Aufhören!« schrie ich. »Warum hört sie nicht auf?«
    »Schreien Sie nicht!« sagte Dr. Sigrand.
    »Meine Herren, meine Herren, bitte, lieber Kollege!« Dr. Lévy rang die Hände.
    Babs lallte etwas. Dann war sie jäh ganz still.
    »Was jetzt?« fragte ich entsetzt.
    Die drei Ärzte antworteten nicht.
    Babs bewegte sich nicht.
    Ich griff nach ihrem Kopf. Ich berührte ihn nur ganz leicht, aber sie schrie wieder los. Ich fuhr zurück.
    »Sie sollen das lassen!« sagte Dr. Sigrand. Dieser Arzt haßte mich. Ich hatte es sofort bemerkt.
    »Warum schreit sie so, wenn man sie nur anfaßt?«
    »Schmerzen«, sagte Dr. Lévy beklommen.
    »Im Kopf?«
    »Und im Nacken«, sagte Dr. Sigrand, während Babs schrie, schrie, schrie. »Da ist eine Nackensteife eingetreten. Tut sehr weh. Auch das rechte Ohr tut ihr sehr weh. Und alle Glieder. Darum liegt sie so still. Das Kind ist völlig desorientiert und verwirrt.«
    »… wirrt«, sagte Babs. Ihr Mund stand offen, sie keuchte, erschöpft vom Schreien. Der Schweiß rann über ihr Gesicht zum Kissen hinunter. Auf dem Tischchen neben dem Bett standen Medikamente, lagen Spritzen, Blutdruckmesser, Thermometer.
    »Was haben Sie ihr gegeben?«
    »Alles Nötige für den Moment«, sagte Sigrand. »Für den Moment. Keinen Sinn, es Ihnen zu erklären, Sie würden es doch nicht verstehen. Im Grunde haben wir sie nur für den Transport in die Klinik versorgt.«
    »Versucht, sie zu versorgen«, sagte Dr. Lévy.
    »Ja. Und hoffentlich war der Versuch erfolgreich. Sonst …« Sigrand schwieg.
    »Was sonst?«
    »Nichts.«
    Und Babs wimmerte,

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