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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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zu werden. Paul ging mit keinem einzigen Wort auf die Wut, die Enttäuschung oder den Frust seines besten Freundes ein, sondern kehrte sie einfach zu den anderen unbequemen Dingen in seinem Leben unter den Teppich. Er sagte nur, dass er ihn zum Trauzeugen wollte und dass es keine weiteren Geheimnisse mehr gäbe.
    «Keine Mogelpackung mehr.»
    «Na endlich.»
    Paul grinste. «Hat auch lange genug gedauert.»
    «Du musstest doch nur ehrlich dir selbst gegenüber sein.»
    «Das ist leicht, wenn man weiß, wer man ist, aber das herauszufinden, hat ziemlich lange gedauert.»
    «Du bist schon immer ein bisschen langsam gewesen», sagte Gar, und Paul nickte zustimmend.
    «Und? Wirst du jetzt mein Trauzeuge?»
    Gar nickte schniefend. «Klar», sagte er. «Mache ich.»
    Paul zog ihn an sich, sie schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, und ihre Welt war wieder in Ordnung. Damit war alles gesagt.
    Bis zur Hochzeit blieben noch sieben Wochen, und Paul hatte den Tag damit verbracht, Menüvorschläge zu sondieren und eine Geschenkliste aufzustellen. Er hatte Lust auf ein Bier und war nicht in der Stimmung, sich zu unterhalten. Er schaltete auf stumm und ließ sich von Clooney und Gars Streit berieseln, ob Brian O’Driscoll nun der beste Rugbyspieler der Welt oder lediglich ein guter Rugbyspieler aus Irland war. Dieser Streit nahm gut eine halbe Stunde in Anspruch. Ab und zu warfen die beiden ihm einen fragenden Blick zu, doch Paul blieb schweigsam und in Gedanken versunken. Sie unterhielten sich über Fußball und die Spiele des kommenden Tages und wetteten darauf, wer die Partie Manchester United gegen Liverpool gewinnen würde. Sie unterhielten sich über Massenvernichtungswaffen, den Niedergang des Kommunismus, ethnische Säuberungen, Kim Kardashian und die Nutzung von Wellenenergie. Paul sagte die ganze Zeit über kein Wort.
    Irgendwann machte Clooney eine Bemerkung darüber.
    «Du hast noch keine zwei Worte gesprochen.»
    «Bin des Redens müde, hab den ganzen Tag geredet, kann nicht mehr reden», antwortete Paul.
    «Typisch Paul», sagte Gar.
    «Warum bist du denn hier, wenn du so müde bist?», wollte Clooney wissen.
    «Wenn ich zu Hause bleibe, will Simone weiterreden», antwortete Paul.
    Gar lachte schallend. «Willkommen im Leben mit einer Frau!»
    «Man hat keinen Einfluss darauf, in wen man sich verliebt.» Paul schüttelte den Kopf. «Aber wenn ich es beeinflussen könnte, würde ich mir einen Mann aussuchen.»
    Paul steckte in einer Phase seines Lebens, die große Veränderungen mit sich brachte, und er war glücklich und besorgt zugleich. Die Dinge änderten sich rasend schnell, und er hoffte, dass er dieser Herausforderung gewachsen war. Was für ein Ehemann werde ich sein? Was für ein Vater? Wird diese Frau mir genügen? Und, viel wichtiger: Werde ich ihr genügen? Simone mit seiner Familie bekannt zu machen, war beängstigend gewesen. Seine Mutter reagierte erwartungsgemäß voller Freude und dankte Gott dafür, dass er ihren Sohn zurück auf den rechten Weg geführt hatte. Das machte ihn krank. Sie scharwenzelte um Simone herum, als wäre sie Gottes persönliche Antwort auf ihre Gebete. Während des Abendessens erzählte Simone, wie sie einander begegnet waren. Pauls Vater aß schweigend, während sie sprach, Pauls Bruder und seine Frau waren völlig baff und wussten nicht recht, was sie davon halten sollten, und seine Mutter unterbrach Simone in jedem zweiten Satz, um dem Herren zu danken.
    «Es war in einem Café in der Stadt», erzählte Simone.
    «Die Macht des Gebetes!», sagte Pauls Mutter.
    «Wir haben angefangen, uns zu unterhalten, und ich weiß nicht … irgendwas hat klick gemacht.»
    «Und das war die Macht des Gebetes!», sagte Pauls Mutter wieder und schlug mit der Hand auf den Tisch.
    «Ich wusste es sofort», sagte Simone und lächelte ihn an.
    Doch Paul hatte keine Lust zu lächeln. Er hatte Lust zu streiten. Er wollte seine Mutter so sehr verletzen, wie sie ihn jedes Mal mit der Bemerkung verletzt hatte, er müsse gerettet werden. Wie kannst du es wagen, verdammt noch mal! Deinetwegen habe ich mich gehasst, bis ich sechsundzwanzig war. Deinetwegen hatte ich jeden Tag, den ich unter deinem Dach verbrachte, Selbstmordgedanken. Deinetwegen habe ich so viele Jahre damit verbracht, mich zu verstellen, dass ich nicht mehr weiß, wie ich es abstellen soll. Die Macht des Gebetes! Wenn Gebete irgendeine Macht hätten, wärst du schon lange vom Bus überfahren worden.
    Simone sah, wie es in ihm

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