Niemand kennt mich so wie du
habe es so satt, allein zu sein. Der Firmenvorstand zahlte sie mit Freuden aus. Es lagen schon länger strategische Pläne für das Unternehmen in der Schublade, die Eve immer blockiert hatte, und so war ihr plötzlicher Sinneswandel für die Firma ein Geschenk des Himmels. Amerika hatte es sehr gut mit Eve gemeint, doch ihre alte Heimat rief, und ein halbes Jahr, nachdem sie ihren Vater auf See bestattet hatte, zog sie nach Hause zurück. Alles, was sie nach zwanzig Jahren fern der Heimat mit zurückbrachte, waren zwei Koffer und eine Kiste mit Büchern über Design. Nicht nur Clooney reist mit leichtem Gepäck. Sie besaß ein dickes Bankkonto, was in Irland unüblich war, zwei solide Wohnhäuser in New York und eine Wohnung mit Blick auf den Central Park. Eves Steuerberater war für diese Käufe verantwortlich. In dem Penthouse hatte sie gewohnt, und die Häuser hatte sie vermietet, ohne je dort gewesen zu sein. Mochten Clooney und Eve in vielem auch sehr unterschiedlich sein, einer der wenigen Punkte, in dem sie sich wirklich ähnelten, war das mangelnde Interesse an materiellen Dingen.
Sie mietete ein Luxusapartment mit Meerblick, nur zehn Minuten entfernt von der Straße, in der sie aufgewachsen war. Sie meldete sich in einem Fitnessstudio an und belegte einen Yogakurs.
Sie traf sich mit Gina zum Kaffeetrinken, aber nur wenn die Kinder in der Schule waren, denn Eve hatte Kinder noch nie gemocht. Für sie waren Kinder lärmende kleine Menschen, die interessante Gespräche ständig mit banalen, hirnlosen Kommentaren störten, wie zum Beispiel:
«Mama, Mama, Mama, Mama, Mama, Mama!!»
«Mama unterhält sich gerade.»
«Mama, Mama, Mama, Mama, Mama!»
«Was denn?»
«Ich, ich, ich, bin … ich mag Käse.»
Eve hatte nie zu den Menschen gehört, die so taten, als würden sie Kinder mögen, nur weil es gesellschaftlicher Konsens war. Es gab Menschen, die ihre Offenheit durchaus schätzten, und andere, die damit ihre Schwierigkeiten hatten. Eve traf sich mit denjenigen, die damit zurechtkamen. Als Gina Eve zum ersten Mal vorschlug, sie mit den Kindern zu treffen, machte Eve deutlich, dass sie es nicht mit Kindern hatte. Glücklicherweise akzeptierte Gina Eves Einstellung. Im Gegenteil, sie war dankbar für eine nette vormittägliche Unterhaltung ohne Unterbrechungen im Stile von «Ich mag Käse» oder «Mein Freund Reece hat einen Hund, der Chappi heißt».
Eve ging mit Gar Golf spielen und unterhielt sich mit ihm über die Bankenkrise, die Konsequenzen eines IWF-Deals und darüber, ob Irland die Eigentümer von Staatsanleihen in ihrer Macht beschneiden sollte. Er war davon überzeugt, dass Irland sich wieder erholen würde, dies aber zwanzig Jahre dauern könnte. Er arbeitete im Export und hatte damit einen der wenigen relativ sicheren Jobs, dachte aber trotzdem darüber nach, mit seiner Familie nach Australien auszuwandern.
«Was ist nur mit diesem Land passiert?», fragte Eve.
«Wir sind gierig geworden und haben es verkackt», sagte er traurig.
Im Grunde wollte er nicht weg, aber er machte sich Sorgen um steigende Hypothekenzinsen und Steuern, um die Zukunft seiner Kinder und um die von sich und Gina. Ihre Renten waren so gut wie verloren. Er wollte in einem Land leben, wo seine Kinder wenigstens die halbwegs realistische Chance hatten, einen Job zu bekommen.
Typisch! Ich komme zurück, und meine Freunde hauen ab.
Einmal pro Woche traf sie sich mit Paul zum Tennisspielen, danach gingen sie abendessen, und sonntags unternahmen sie manchmal einen Spaziergang auf den Klippen. Paul teilte Gars Befürchtungen nicht. Er sah die Dinge entschieden positiv. Es würde ein paar Jahre lang hart werden, dann würden die Iren sich recken und strecken und besser dastehen als je zuvor. Paul war ein unerschütterlicher Optimist, doch schließlich hatte er, genau wie Eve, keine Kinder, um die er sich Sorgen machen musste. Auch wenn er im Justizministerium eine heftige Gehaltskürzung hatte hinnehmen müssen, war seine Fünfzimmerdoppelhaushälfte beinahe abbezahlt, er hatte sich während der Boomjahre nicht verschuldet und immer noch ein kleines Polster für schlechte Zeiten auf der hohen Kante. Paul war ungewöhnlich, aber Eve wusste, dass Paul noch nie gewöhnlich gewesen war.
Als sie eines Tages über die Klippen spazierten, deutete er aufs Meer hinaus. «Man braucht kein Geld, um es sich gut gehen zu lassen», sagte er.
«Klar», antwortete sie, «man braucht auch kein Geld, um sich umzubringen.» Sie spielte
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