Niemand kennt mich so wie du
Wäschesack zu werfen, je nachdem ob es noch zu retten war. Das kommt davon, wenn man Stringtangas trägt. Das führte sie zu einem anderen Gedanken: Wenigstens hatte ich ein frisches Höschen an, als ich überfahren wurde. Das ist doch auch schon mal was.
Clooney war die ganze Nacht geflogen und hatte nicht geschlafen. Eve bestand darauf, dass er nach Hause fuhr.
«Ich will dich nicht allein lassen», sagte er.
«Du stinkst.»
Er lachte. «Okay. Ich gehe.»
«Gut.»
Er küsste sie auf die Stirn und verließ das Zimmer.
Lindsey Harrington ergriff als Erste das Wort.
«Wer ist dieser gutaussehende Mann?», fragte sie.
«Mein Bruder.»
«Glauben Sie, er würde mit mir ausgehen?»
Hinter ihrem Buch meldete sich Anne zu Wort: «Wenn er taub, blind und dumm wäre, hätten Sie vielleicht eine Chance, Häschen.»
«Sagen Sie ihm bitte, ich muss Punkt zehn Uhr zu Hause sein, und er muss vorher mit meinem Vater sprechen.»
«Natürlich», sagte Eve.
Anne schüttelte laut seufzend den Kopf. Sie hatte für Demenzkranke kein Verständnis. «Sie sollte gar nicht hier sein, sie gehört ins Irrenhaus.»
Eine Schwester, die Eve nicht kannte, betrat das Zimmer und machte das leere Bett neben ihr zurecht.
«Bekommen wir noch eine Zimmergenossin, Häschen?», wollte Anne wissen.
«Ja, sie kommt bald.»
«Ich hoffe, sie ist jünger. Wir müssen unbedingt den Altersdurchschnitt senken.» Sie deutete auf Eve. «Sonst glaubt das arme Ding am Ende noch, sie wäre im Altersheim gelandet.»
Eve lächelte leicht.
«Ich fürchte, Sie haben Pech, Anne», erwiderte die Schwester. «Beth ist fünfundsiebzig.»
«Noch eine Hüfte?», fragte Anne.
«Noch eine Hüfte.»
«Ist sie auch gaga?», wollte Anne wissen und warf einen bedeutungsvollen Blick auf Lindsey, die zwar die Augen geöffnet hatte, aber nicht zuzuhören schien.
«Nein, Anne, ist sie nicht.»
«Na, das ist doch schon mal was, Häschen», sagte Anne zu Eve, und Eve lächelte bestätigend.
Anne Murray war zweiundsiebzig Jahre alt. Sie hatte sich die Hüfte gebrochen, als sie über die Spielzeugeisenbahn gestolpert war, die ihr Enkelsohn auf der Treppe liegen gelassen hatte. «Ich habe Glück, dass ich mir nicht das Genick gebrochen habe», hatte sie Eve erzählt, «denn beinahe wäre ich mit dem Kopf durch die Glasscheibe am Fuße der Treppe gefallen. Das süße Kerlchen!»
«Ich habe auch zwei süße Kerlchen, Labradorwelpen, Simple und Simon», mischte Lindsey sich wieder ein. «Simple jagt so lange seinem eigenen Schwanz hinterher, bis ihm ganz schwindlig wird und er umfällt. Dann dreht er sich auf den Rücken und wartet darauf, dass ich ihm das Bäuchlein kraule. Mein Daddy sagt, wenn ich groß genug bin, darf ich mit ihm Gassi gehen. Simon geht nicht gerne Gassi. Er ist sehr faul. Daddy sagt, er ist schon als alter Mann zur Welt gekommen.»
«Jesus Christus, jetzt hat es sie wieder erwischt!», sagte Anne.
Lindsey stand kurz vor ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag, und ihr Vater war vor dreißig Jahren gestorben. Es gab durchaus Augenblicke der Klarheit, in denen sie manchmal gemein und aggressiv war und manchmal traurig und weinerlich, doch wenn sie sich in alten Zeiten verlor, fand Eve sie eigentlich ganz liebenswert. Anne machte sehr deutlich, dass sie Eves Mitgefühl nicht teilte, indem sie Lindsey als alte Nervensäge bezeichnete.
Kurz darauf wurde Beth hereingeschoben. Sie stöhnte und weinte, als sie in ihr Bett umgelagert wurde. Sie litt unter schwerer Arthritis – selbst im Vorbeirollen konnte Eve sehen, dass die eine Hand zu einer regelrechten Klaue verformt war. Als die Schwester ging, weinte sie noch eine Weile, bis Anne ihr ein paar aufmunternde Wort zurief. Sie empfahl ihr, sich zu beruhigen und ein Nickerchen zu machen – das sei immer noch die beste Medizin. Kurz darauf war die Frau eingeschlafen.
Zum ersten Mal schaltete Eve ihren kleinen Fernseher ein und sah die Nachrichten. Die Pflegerin brachte das Abendessen, und ebenfalls zum ersten Mal hatte Eve tatsächlich Hunger. Die Pflegerin schnitt ihr das Essen klein, und mit einem Löffel aß Eve einen leichten Salat mit einer Scheibe dunklem Brot. Sie trank eine Tasse Tee und fühlte sich beinahe wieder wie ein Mensch.
Ehe er das Krankenhaus verließ, machte Clooney sich auf die Suche nach Lily. Obwohl sie zu tun hatte, setzte sie sich für fünf Minuten mit ihm in den Besucherraum.
«Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du angerufen hast», sagte er.
Sie sagte, sie sei
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