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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Köstlichkeiten und süßen Leckereien. Weit entfernt am Ende des Tisches saßen zwei Frauen, die sich leise unterhielten, während ein Wichtel das Essen auftrug. Der Nikolaus winkte ihnen zu: »Lasst es euch schmecken.«
    Die Frauen sahen zum Nikolaus hinüber und grüßten zurück. Nina erschrak. Sie bestanden nur aus einer Hälfte, als hätte jemand sie auseinandergeschnitten, dabei ähnelten sie sich nicht. Die eine hatte dunkle Haut, wie Schokolade, die Haut der anderen wirkte hell wie Schnee.
    »Stammgäste. Meine Besseren Hälften.« Der Nikolaus lachte. »Nicht meine natürlich. Aber wunderbare Frauen, die sich einmal in der Woche hier treffen und über ihre Männer ablästern.«
    Lilly miaute verärgert. »Sie sind beide mit Arschlöchern verheiratet.«
    »Mit Arschlöchern?« Nina hielt die Hand vor den Mund und kicherte nervös.
    »Können wir jetzt essen? Mir knurrt der Magen.« Lilly sprang auf einen Stuhl und ließ sich vom Nikolaus ein Stück Hühnchenfleisch auf den Teller legen. Mit den Krallen zupfte sie Fasern aus dem Fleisch, kaute genüsslich und mit geschlossenen Augen, als habe sie ewig nicht mehr so gut gegessen.
    Nina hatte zum Frühstück nur einen Teller voll Cornflakes und ihr Magen brummte lautstark bei all den Leckereien, die der Nikolaus auftischte. Niemand saß rechts neben ihr, sie sah nur seine Gabel, mit der er im Essen herumstocherte.
    Es lag eine zufriedene Ruhe über dem Tisch, bis der Nikolaus plötzlich rief: »Jesses, Jesus! Was führt dich denn hierher?«
    Nina zuckte zusammen und blickte auf.
    Ein Mann trat zwischen den Tannen hindurch. Er trug ein langes, weißes Gewand, das am Saum ein wenig schmutzig geworden war. Seine Füße waren nackt. Der braune Bart, ähnlich buschig wie der des Nikolaus, wuchs an den Wangen in das lange, gewellte Haar über.
    Jesus, hatte der Nikolaus gesagt. Jesus! Wo war sie nur gelandet?
    Der Nikolaus zwinkerte Nina zu: »Wundere dich nicht. Du bist in der Tannengasse, die direkt neben der Glaubensallee liegt.«
    Jesus wählte den Stuhl neben dem Nikolaus und saß Nina gegenüber. Er seufzte. »Meine Füße schmerzen. Denn ich bin den weiten Weg hierher gewandert, um dich zu besuchen.«
    »Red nicht. Du hast das Essen gerochen und bist mal eben vorbeigekommen.«
    Der Nikolaus beugte sich zu Nina hinunter: »Er wohnt nur wenige Schritte von hier entfernt. Aber er spricht gerne über seine Leiden.«
    An Jesus gewandt sagte er: »Nimm dir. Es ist reichlich da.« Und Jesus schaufelte sich Bohnen mit Speck, fünf Hähnchenkeulen und die halbe Schüssel Reis auf den Teller, als habe er seit Tagen nichts mehr zu sich genommen.
    »Gibt es auch deine berühmte Zahn-Pasta?«, fragte Jesus und schob sich einen Löffel voll Bohnen in den Mund.
    »Zahnpasta?«, stolperte Nina das ihr bekannte Wort aus dem Mund.
    »Es gibt keine bessere Pasta als die Zahn-Pasta von unserem Nikolaus«, erklärte Lilly und leckte sich mit ihrer Zunge über die Nase und das Bröckchen Fleisch fort, das darauf kleben geblieben war.
    Ninas Essen war nur noch lauwarm – sie hatte es vergessen, nachdem Jesus gekommen war, und ihn ungläubig angestarrt. Jesus. Nikolaus. Sprechende Katzen, Bessere Hälften, Arschlöcher, Schaumschläger, Schleimscheißer. Wer oder was kam als Nächstes? Sie sah sich um und fühlte sich inmitten dieser fremden Gestalten wie im Märchen. Sie lächelte, aß den Teller leer und legte das Besteck leise zusammen.
    »Bist du denn schon satt?«, fragte der Nikolaus.
    »Ja«, sagte sie artig.
    »Na, der Nachtisch wird wohl noch reinpassen.«
    »Wir dürfen nicht zu lange bleiben.« Niemand war sehr still gewesen und Nina freute sich, seine Stimme zu hören.
    Der Nikolaus zog die Augenbrauen hoch und seine Stirn verschwand unter einem Knäuel von weißen Haarbüscheln. »Was ist geschehen, nachdem dein Vater dich holen ließ?«
    Nina horchte auf.
        

21.

    »Wieso sind wir nicht länger geblieben?«, maulte Lilly. »Ich hätte gern noch ein Schnitzel verschlungen. Die sind besser als die gehaltlos an die Wange gelaberten von Tusnelda Laberbacke.« Und sie wären beim Nikolaus vor der Dunkelheit in Sicherheit, allerdings nicht vor Niemands Vater, aber das verschwieg Lilly, sie wollte Nina nicht beunruhigen.
    »Wer ist denn diese Tusnelda Laberbacke?«, fragte Nina.
    »Du wirst sie noch kennenlernen, fürchte ich«, miaute Lilly.
    »Ich habe dich nicht gebeten, uns zu begleiten. Du kannst gerne gehen, dann nervst du mich wenigstens nicht

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