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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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erweckten Statuen den gleichen Weg einschlagen, denn sie mochten Niemand. Ob die Nachtmahre und die Nachteulen sich anschließen würden, das musste die Dunkelheit entscheiden. Die Stromschwimmer würdigten die Nachricht mit einem kurzen Stopp und folgten der neuen Richtung zum Marktplatz.
    Rrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrumm
    Rrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrumm
    Rrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrumm.
    Der in den Katakomben festgehaltene Heilige Geist hatte keine Chance, die Neuigkeit live mitzuerleben, die Fesseln waren unüberwindbar. Und die E-Mann-Zehen, die Goldgelockten-Giganten-Greislinge und die siamesisch-verdrillingten Kreischzwerge Schiz, Zof und Freny blieben fern.
    Genauso wie Niemand Sonst und Überhaupt Niemand.
        

26.

    »Wie kommt er dazu, nach einem Namen zu verlangen?« Niemand Sonst ließ seine Wut an seinem niedrigsten Untertan aus, er trat und schlug den Drecksack, bis sein Bruder das Zimmer unangemeldet und ohne anzuklopfen betrat. Er hasste dessen penetranten Gestank nach fauler Apfelkitsche und schimmeligem Butterkäse.
    »Du hast es auch gehört? Ich dachte schon, im Schlaf wäre mir ein Floh ins Ohr gekrabbelt«, sagte Überhaupt Niemand ohne ein Wort des Grußes. Was bildete der sich ein?
    Niemand Sonst warf den Drecksack in eine Ecke und wandte sich an Überhaupt Niemand, den er mit hasserfüllten Blicken getötet hätte, wenn sein Blick ihn hätte treffen können. Er verachtete ihn. Überhaupt Niemand hätte genauso gut ein Nichtsnutz, Doofmann oder Feiger Hund sein können. Aber das waren eben andere. Er war Überhaupt Niemand und nicht würdig, in das Zimmer von Niemand Sonst, dem Vater des Herrschers, zu treten. »Was willst du hier?«, giftete er ihn an.
    »Dir einen Plan unterbreiten.«
    »Einen Plan? Wofür?«
    »Du willst den Thron?«
    Niemand Sonst lachte verächtlich. »So wie du. Nur, dass er mir zusteht.«
    »Sicher, sicher. Aber wie willst du darankommen? Hast du dir das schon einmal überlegt?«
    Niemand Sonst roch die mandarinige Zuversicht, die sein Bruder ausströmte.
    Niemand Sonst hoffte, dass sein Geruch diesem glich, als er sagte: »Natürlich!« Er dachte den blöden endlos langen Tag über an nichts anderes. Aber er hatte keine Ahnung, wie er den Thron und die rechtmäßige Herrschaft erlangen konnte.
    »Du weißt es nicht, ich rieche es.«
    Nicht nur, dass Überhaupt Niemand Zuversicht ausstrahlte, nein, er roch seine Unsicherheit und war dreist genug es ihm zu sagen. Dafür hasste er seinen Bruder noch ein bisschen mehr, obwohl er vor fünf Minuten gedacht hatte, dass dies nicht möglich sei.
    Unbeirrt sprach Überhaupt Niemand weiter. »Wir schalten Niemand aus. Dann bist du der rechtmäßige Erbe des Throns. Ich überlasse ihn dir freiwillig.«
    »Als ob du, ohne etwas zu verlangen, mir dabei helfen würdest, den Thron zu bekommen.« Niemand Sonst spuckte aus. Wo blieb der Drecksack, der den Siff mit seinem Leib wegwischen sollte? Niemand Sonst sah sich um, konnte ihn aber nirgends entdecken.
    Sein Bruder lenkte ihn ab. »Ich? Nie würde ich irgendetwas von dir verlangen. Wir sind doch Brüder.« Überhaupt Niemand miefte wieder nach Apfelkitsche und Butterkäse mit ein bisschen Mandarine, dabei klangen seine Worte scheinheilig und hätten bis zum Himmel nach Kloake stinken müssen. Er hatte seine Gerüche gut im Griff. Anscheinend hatte er in seinem stillen Kämmerlein geübt.
    »Dieses Balg ist mein Sohn, und wenn wir ihn ausschalten, gibt es keine Chance auf den Thron. Er ist der rechtmäßige Erbe.« Niemand Sonst verfluchte in Gedanken seinen Bruder und seinen Sohn, seine Fast-Frau und jeden, der ihn nervte – also das gesamte Niemandsland.
    »Nur wer sich den Thron verdient, hat einen Anspruch darauf. Weißt du das nicht? Wir dürfen ihn nicht töten, nein, wir müssen ihm das Leben retten!« Warum musste er nicht nur mit einem Sohn, sondern auch mit einem durch und durch dämlichen Bruder gestraft sein?
    Er stocherte ziellos mit dem ausgestreckten Zeigefinger in der Luft herum und nahm den schmerzhaften Aufschrei seines Bruders mit Genugtuung wahr.
    »Oh, habe ich dich getroffen?«
    Seine Boshaftigkeit blieb traurigerweise unsichtbar. Er würde sich gerne selbst im Spiegel betrachten, denn er war davon überzeugt, dass er mit seinem Gesicht Furcht einflößende Grimassen schneiden konnte. Bösartig. Widerwärtig. Abartig. Stundenlang betastete er sein Gesicht, während er die Gesichtsmuskeln in alle Richtungen

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