Niemandsland
sie auf ihre Sauberkeit
untersuchte. »Ich filtere den Bodensatz heraus. Ist so sauber wie alles andere
Zeug, das man kaufen kann.« Sie goß ein und fügte hinzu: »Tut mir leid, daß ich
kein Eis habe. Was ich da oben im Kühlfach hatte, ist bestimmt geschmolzen —
ich wollte neues holen, aber da hat mich gestern abend dieser kleine Zwerg zu
Zelda’s abgeschleppt. Gehen wir auf die Veranda.«
In der Mittagssonne sah das Tal aus wie
auf einem alten, verblichenen Farbfoto. Von den Blechdächern der
tieferliegenden Ruinen stiegen flimmernd Hitzeschwaden auf. Wir setzten uns auf
die Treppenstufen und sahen uns um.
Ich sagte: »Sie müssen wirklich zäh
sein, um hier zu überleben.«
»Ja, das muß man. Im Sommer wird man
geröstet, im Winter erfriert man, und das ganze Jahr über sieht man manchmal
tage-, ach was, wochenlang keine Menschenseele. Wissen Sie, McCone, gestern
abend, als Rose mich ins Bett gesteckt hatte — mein Gott, hat sie mir eine
Angst eingejagt, als sie durchblicken ließ, sie könnte meine heiße Milch
vergiftet haben da habe ich nachgedacht. Ich bleibe noch eine Saison hier, aber
wenn ich dann nicht eine verdammt reichliche Ausbeute gemacht habe, gehe ich
zurück nach Nevada.«
»Und machen dann was?«
»Sehe zu, daß ich in einem anständigen
Haus unterkomme, wenn möglich. Und verdiene mir richtiges Geld.«
Ich zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Genau das ist es, was ich meine. Ein
Puff. Stört Sie das?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»In dieser Welt mußt du das tun, was du
kannst. Und außer nach Gold suchen ist das das einzige, was ich kann. Außerdem
verdient man einen verdammten Haufen mehr als in den Casinos. Schließlich will
ich nicht arm sterben wie meine Mutter.«
Ich dachte eine Weile darüber nach.
»Was Sie vorhin über mein Mittelklassen-Denken sagten — es tut mir ganz gut,
wenn jemand ab und zu daran rührt.«
»Ach, McCone!« Sie schlug mir auf die
Schulter. »Diese Dinge müssen ständig durcheinandergerührt werden. Sehen Sie
mich nur an.«
Eine halbe Stunde später hielt ich vor
Ripinskys Haus an, um zu erkunden, ob er irgendein Foto von Earl Hopwood
ausgegraben hatte. Er kam barfuß, in kurzen Hosen und Trägerhemd zur Tür. Die
dunkelgefaßte Lesebrille hatte er nach oben in das lockige Haar geschoben. Auf
dem Kaffeetisch stand eine goldsilberne Geschenkdose voller Fotos, daneben ein
paar Schnappschüsse. Auf einem sah man eine lächelnde Frau in einem Rollstuhl
und einen nicht lächelnden Mann dahinter. Es war in diesem Zimmer vor dem Kamin
aufgenommen worden.
»Earl Hopwood und Julie«, sagte Ripinsky
und reichte es mir.
Hys verstorbene Frau war ausgezehrt
gewesen, das lange, grau-braune Haar nach hinten zu einem Knoten gesteckt. Das
Lächeln hellte ihr Gesicht auf. Ihre Augen, die von einem Netz von Falten
umgeben waren, die den unablässigen Schmerz und die Erschöpfung verrieten,
kündeten im Widerspruch zu ihrem physischen Verfall von einem eisernen Willen
und geistiger Kraft.
Ich sagte: »Nach dem, was mir die Leute
erzählen, war Julie eine ganz erstaunliche Frau.«
»Das war sie. Kniete sich in jede Sache
hinein, die sie anpackte. Den Tufa Lake gäbe es ohne sie nicht mehr, und mich
hat sie knapp vor der Hölle gerettet.«
Ich sah ihn an, hoffte, er würde das
näher erklären, doch er zog nur die Lesebrille vom Kopf und legte sie auf den
Tisch.
Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder
dem Foto zu und studierte Hopwoods Gesicht. Der alte Mann war schlank und
sehnig mit scharfen Gesichtszügen, dünnen, farblosen Lippen und wettergegerbter
gräulicher Haut, die seinem grauen Haar entsprach. Doch wie bei Julie Spaulding
waren es die Augen, die mir auffielen. Schwarz und brennend beherrschten sie
selbst auf diesem ausgeblichenen Foto das sonst passive Gesicht. Die Augen
eines Fanatikers, dachte ich, vielleicht sogar ein bißchen irre. Möglicherweise
kam das von dem Leben allein in der Wüste. Möglicherweise war das, was andere
als seine Trägheit beschrieben hatten, nichts als ein Zeichen dafür, daß ein
inneres Feuer — was immer es speiste — seine äußerlich sichtbare Energie
verzehrte. Ich sah mir das Foto noch eine Zeitlang an und fragte Hy dann: »Kann
ich dieses hier mitnehmen?«
»Ja, wenn Sie es mir wieder
zurückbringen. Haben Sie sonst etwas herausgefunden im Tal?«
»Nur daß Hopwood letzte Woche noch
dagewesen sein muß.« Ich wiederholte, was Bayard mir erzählt hatte. »Wissen
Sie«, setzte ich hinzu, »es paßt
Weitere Kostenlose Bücher