Niemandsland
irgendwie zu einer Sache, auf die ich schon
hätte kommen müssen. Dieses Brett von der Dynamitkiste, das ich bei seiner
Hütte gefunden habe, war noch nicht so verwittert, als ob es bereits seit
Wochen auf dem Abfallhaufen gelegen hätte.«
»Aber was bedeutet das schon? Andere
Leute kennen die Müllkippe wahrscheinlich auch und benutzen sie. Da draußen
gibt es keine Müllabfuhr, müssen Sie wissen. Und Sie sagen, seine Hütte wirke
unbewohnt.«
»Unbewohnt und irgendwie... so, als sei
etwas nicht in Ordnung. Anders kann ich es nicht beschreiben. Konnten Sie sich
in der Stadt schon nach Erickson umhören?«
»Das habe ich getan, und niemand
erinnert sich, ihn gesehen zu haben. So charakteristisch, wie er aussah, hätte
er jemandem auffallen müssen.« Dann zog er ein schuldbewußtes Gesicht. »Ich
habe auch herausgefunden, warum der Name Tarbeaux mir so bekannt vorkam.«
»Ach?«
»Ja, es kam mir, nachdem ich mir die
halbe Nacht das Hirn zermartert hatte.« Er ging auf die Kaminseite, an der die Sachbücher
über den Alten Westen standen, und zog einen Band heraus. Das Buch hieß Knights of the Green Cloth: The Sage of
the Frontier Gamblers.
»Ich habe es mir vor Jahren gekauft und
einen Blick hineingeworfen. Aber ich bin nie dazu gekommen, es ganz zu lesen.«
Er schlug es bei einem Lesezeichen auf und reichte es mir.
Über dem Kapitel, das er aufgeschlagen
hatte, stand ein Zitat: »Gauner und Betrüger gehören stets zu denen, die beißen
und gebissen werden. Ich kam zu meinem Bauernfängertrick, weil es mir Spaß
machte, zu schwindeln, und weil es mir gefiel, Trottel hereinzulegen.«
Das Zitat war einem gewissen Frank
Tarbeaux zugeschrieben.
Ich sah Ripinsky an. »Frank Tarbeaux...
Franklin Tarbeaux. Ein Gauner aus der Pionierzeit?«
»Einer der größten Gauner aller
Zeiten«, sagte Hy. »Und ein Betrüger. Ein gottverdammter Schwindler.«
8
Ich ging mit Ripinsky auf die Suche
nach Anne-Marie und Sanderman. Der Coalition-Wohnwagen war verschlossen, ebenso
Sandermans Hütte in der Feriensiedlung. Von Anne-Marie keine Spur, und auch
Rose Wittington hatte keine Ahnung, wohin sie gegangen sein könnte. Ich
versuchte, Kristen Lark oder Dwight Gifford telefonisch im Sheriff-Büro in
Bridgeport zu erreichen, um ihnen zu berichten, was Ripinsky über den
Tarbeaux-Decknamen herausbekommen hatte, aber beide Polizeibeamten waren außer
Haus. Ich wartete auf einen Rückruf und vertrieb mir zusammen mit Hy die Zeit
vor dem großen Fernsehschirm im Empfangsgebäude. Es gab die kolorierte Fassung
von D.O.A., und ich riet Hy, die Farbe herunterzudrehen,
wo T durch der Film wieder einigermaßen genießbar wurde. Über die
neuesten Ereignisse und ihre Wendung redeten wir nicht, weil Rose, die diesen
und jenen hausfraulichen Verpflichtungen nachging, immer wieder in unsere Nähe
kam.
Gegen sechs Uhr rief Kristen Lark
schließlich an. Sie fand die Information über den Decknamen zwar interessant,
maß ihr aber keine besondere Bedeutung zu. Da ich mir selbst nicht klar war, in
welcher Beziehung die Namenswahl — wenn es eine solche überhaupt gab — zu den noch
nicht geklärten Ereignissen um Ericksons Tod stand, beunruhigte mich ihre
mangelnde Begeisterung nicht besonders. Ich fragte sie, ob sie schon ein
Ergebnis aus der Gerichtsmedizin habe. Als sie verneinte, sagte ich, ich käme
am nächsten Morgen wieder vorbei.
Gegen sieben rollte endlich auch
Anne-Marie an, zwei Mitglieder der ›Freunde des Tufa Lake‹ im Schlepptau. Sie
hatten eine lange Wanderung einen der Zuflüsse entlang hinter sich und hatten
sich dann bei einem anderen Mitglied eine Sammlung historischer Fotos der
Gegend angesehen. Die beiden kannten Ripinsky gut, und so setzten sie sich fest
und schwatzten über eine Stunde lang mit uns. Als sie schließlich gingen, hatte
ich einen Bärenhunger.
Ripinsky wartete ungeduldig, daß
Anne-Marie, die die beiden zu ihrem Wagen gebracht hatte, zurückkam. Dann
fragte er sie: »Wo, zum Teufel, ist Ned?«
»In Sacramento. Er hat seinen Computer
eingepackt und ist für ein paar Tage heimgefahren. Meinte, es gäbe ein paar
Akten, die er sich beschaffen müsse.«
»Das konnte er nicht von hier aus
machen?«
»Offensichtlich nicht.«
»Na, wunderbar.« Ripinskys Faust
knallte auf die Platte des Kaffeetischs. Sein Gesicht schwoll vor Ärger.
Mir fiel Sandermans etwas paranoide
Behauptung ein, daß Hy es auf ihn abgesehen habe. Zwar war ich sicher, daß das
übertrieben war, aber ganz bestimmt
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