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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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verwischt, daß sogar seine Sekretärin dachte, er sei tatsächlich in
Japan.«
    »Sie könnten auch beide gelogen haben.«
    »Alles ist möglich. Ich folge hier nur
dem Gefühl in meinem Bauch.«
    Kristen Lark seufzte. »Das ist manchmal
das einzige, womit man wirklich weiterkommt. Sie sagen, er hatte nach seinem ersten
Anruf keinen Kontakt mehr zu seinem Büro?«
    »So ist es.«
    Sie schwieg eine Weile. Schließlich
sagte ich: »Kristen?«
    »Ich denke gerade nach. Es gibt ein
paar Dinge, die ich Ihnen nicht gesagt habe, als Sie gestern morgen
vorbeikamen. Ich hielt es nicht für nötig. Aber nach dem, was Sie
herausgefunden haben... sage ich es Ihnen jetzt: Erstens wies Ericksons Körper
Prellungen auf. Es sieht aus, als hätte es einen Kampf gegeben. Die
Verletzungen wurden ihm nicht zum Zeitpunkt des Todes beigebracht — dafür waren
sie zu aufgeschwollen — , aber der Kampf könnte vorher im Laufe des Tages
stattgefunden haben.«
    »Okay. Was noch?«
    »Dieser gemietete Bronco — er ist
abgewischt worden.«
    »Komplett?«
    »Nein, nur das Lenkrad, der Schalthebel
und der Türgriff auf der Fahrerseite.«
    »Hat der Schlüssel gesteckt?«
    »Ja.«
    »Also hat jemand den Wagen gefahren,
nachdem er die Leiche weggeschafft hatte.«
    »Sieht so aus. Wir haben nach Haaren
und Fasern gesucht und nach allem, was uns bei der Identifikation des Fahrers
helfen könnte, aber außer Schmutz und Laub haben wir nichts gefunden — und die
könnten von überall in der Gegend stammen.«
    »Irgendwelche Hinweise, daß der Wagen
zum Transport der Leiche benutzt wurde?«
    »Nein.«
    »Er wurde also nur weggefahren, um von
der Stelle abzulenken, wo Erickson getötet wurde.«
    »Wahrscheinlich. Interessant ist auch,
was wir im Wagen gefunden haben und was nicht. Wir haben keine Kleider, keinen
Koffer, kein Rasierzeug gefunden. Nachdem er sich an dem Tag aber rasiert
hatte, muß er das Zeug bei sich gehabt und in seiner Unterkunft gelassen haben.
Aber wir haben keinen Anhaltspunkt, wo das gewesen sein könnte. Und was wir
gefunden haben, ist eine Pistole — eine vierundsechziger Magnum — im
Handschuhfach. Mit ihr ist dreimal geschossen worden, und zwar vor ziemlich
kurzer Zeit.«
    »Haben Sie den Besitzer der Waffe
feststellen können?«
    »Wir sind noch dran. Aber auf Erickson
war sie nicht eingetragen.«
    »Gibt es Fingerabdrücke auf der Waffe?«
    »Ein paar Reste, aber nicht genug für
eine Identifizierung. Und die des Toten.«
    »Und nirgends Schüsse gemeldet?«
    »Keine.«
    Ich dachte einen Augenblick nach. »Er
könnte sie für Zielübungen benutzt haben.«
    »Möglich.« Aber es hörte sich an, als
glaube sie das nicht.
    Ich dachte noch einen Augenblick nach.
Doch mir fiel nichts ein, das diese Mixtur in einen sinnvollen Zusammenhang
gebracht hätte. »Was ergibt sich daraus?«
    »Es sieht noch verwirrender aus als
vorher.«
    »Gut, vielleicht kommt bei meinem
Interview mit Lionel Ong etwas Brauchbares heraus. Ich halte Sie auf dem
laufenden.«
    »Tun Sie das, McCone. Und schicken Sie
mir das Band von Ihrem Gespräch mit Ericksons Frau.« Mit der ihr eigenen
Abruptheit legte sie auf.
    Ich steckte die Kassette in einen
Umschlag, schrieb Kristen Larks Adresse darauf und legte ihn in den Postkorb.
Auf meinem Schreibtisch lag eine Notiz von Rae. Sie wollte mich sprechen. Ich
ging hinunter zu der umgebauten Kammer unter der Treppe und mußte lächeln, als
mir meine Gedanken über die leerstehenden Büros der Bosse und die in kleinen
Kabinen zusammengepferchten Angestellten einfielen. Dabei hatte ich Raes Kammer
selbst bewohnt, bis Hank mir nach der Heirat mit Anne-Marie und seinem Auszug
aus unserer Kooperative sein Zimmer oben überlassen hatte. Raes Name stand auch
nicht mehr weit unten auf der Warteliste für den nächsten größeren Raum, der
verfügbar werden würde. Inzwischen hatte sie das Beste aus ihrem engen Quartier
gemacht. Die früher blaßgelben Wände waren jetzt blaßblau und mit einer Collage
von Ausstellungsplakaten des Young Museums geschmückt. Sie hatte den
abgenutzten Schreibtisch lackiert, für gute Beleuchtung gesorgt und sogar einen
kleinen Feigenbaum hereingeschleppt, der im ultravioletten Licht einer Lampe
gedieh und häufig zum Luftschnappen auf die hintere Veranda gebracht wurde. Es
verstörte mich schon, daß ihr in kurzer Zeit gelungen war, was ich in Jahren
nicht geschafft hatte.
    So saß sie also an ihrem Schreibtisch
und machte sich Notizen auf einem Schreibblock. Ihren Kampf um eine

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