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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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wo er sich mit einem Mann vom
Bodenpersonal unterhielt. Auch er hatte sich eingepackt, und zwar in eine
lederne Bomberjacke mit Schaffellkragen, und die Hand, mit der er mir zuwinkte,
steckte in einem Handschuh.
    Ich schwenkte aus der Reihe der
Passagiere aus und ging zu ihm. Der Mann, der mit ihm gesprochen hatte, klopfte
ihm auf den Rücken und wandte sich ab. Hy nahm mir die Reisetasche ab und
betrachtete mich aus der Nähe. »In eine Kneipenschlägerei geraten, McCone?«
    »Daran ist nur meine eigene
Unbeholfenheit schuld.«
    Er glaubte mir offenbar nicht, fragte
aber nur noch: »Guten Flug gehabt?«
    »Alles bestens.« In Wirklichkeit hatte
ich mir die meiste Zeit Gedanken gemacht: über Georges’ Reaktion auf den
abgesagten Theaterbesuch heute abend und darüber, wie ich Hy jetzt
entgegentreten sollte. Vor allem fürchtete ich, etwas in meiner Stimme oder
meinem Benehmen könnte Ripinsky verraten, daß ich einen Verdacht gegen ihn und
seine Beziehung zu Lionel Ong und seinen Geologen hegte. Es konnte auch sein,
daß Alvin Knight ihn gewarnt hatte. In diesem Fall war nicht abzusehen, was er
unternehmen würde.
    Aber Ripinsky wirkte ungezwungen und
einfach froh, mich zu sehen. Mit einer Hand auf meiner Schulter führte er mich
vom Flughafengebäude weg. »He«, sagte ich, »wohin geht’s?«
    »Ein Kumpel von mir fährt uns rüber zu
den Privatmaschinen.« Er zeigte auf das Wartungsfahrzeug, das ein paar Meter weiter
entfernt stand. Die gelben Warnlichter blinkten, und der Auspuff spie weißen
Qualm in die kalte Luft.
    »Wieso?«
    Er blieb stehen und sah mit gerunzelter
Stirn auf mich herab. »Hat Anne-Marie nicht gesagt, daß wir zum See
zurückfliegen?«
    »Sie sagte, daß Sie mich abholen, sonst
nichts.«
    »Na gut, da bin ich — mit meinem
Flugzeug.« Unter seinem hängenden Schnurrbart verzog er amüsiert die Lippen.
    Als ich mich zum erstenmal mit
Anne-Marie über ihn unterhielt, hatte sie irgendwie erwähnt, daß er ein
Flugzeug habe. Doch das war mir entfallen. Und nun sollte ich nachts mit einem
Mann über die Sierra Nevada fliegen, von dem ich keineswegs wußte, ob ich ihm
trauen konnte. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, ob ich Angst vor kleinen
Flugzeugen Vortäuschen und so aus der Sache herauskommen könnte.
    Hy sagte: »Angst können Sie nicht
haben. Anne-Marie hat mir erzählt, daß Sie vor einer Weile selbst ein paar
Flugstunden genommen haben.«
    Das war einige Jahre her. Ich war
damals in einen Fluglehrer an der Alameda Naval Air Station verliebt, und der
hatte mich umsonst unterrichtet. Als er nach Pensacola versetzt wurde und ich
merkte, wie teuer eine Fortsetzung ohne seine Großzügigkeit sein würde, hörte
ich mit den Stunden auf. Jetzt verfluchte ich Anne-Maries gutes Gedächtnis.
»Ich habe genug mitbekommen, um zu wissen, wie gefährlich Flüge über die Berge
sind«, sagte ich zu Hy. »Vor allem bei Dunkelheit.«
    »Kein Grund zur Sorge — ich bin ein
alter Hase.« Er schob mich auf den wartenden Wagen zu. »Ich fliege, seit ich
groß genug bin, an die Schalter und Hebel zu kommen. Mein Vater war Flieger bei
der Schädlingsbekämpfung und hat es mir gut beigebracht — zumindest, bis er
südlich von Fresno in einer Hochspannungsleitung hängenblieb.«
    »Danke für diese ermutigende
Information.«
    Hy zuckte mit den Schultern.
»Verglichen mit der Fliegerei über den Feldern ist so ein Flug über die Berge
ein Kinderspiel.«
    Wir erreichten den Servicewagen und
zwängten uns zu seinem Freund, den er mir als Dan vorstellte, ins Führerhaus.
Während wir über das Flugfeld auf einen Hangar zurasten, wo kleinere Flugzeuge
festgezurrt waren, unterhielten sie sich über Dans neue Freundin, eine
Kassiererin bei Bally’s. Ich hörte nicht zu und versuchte, die Gefährlichkeit
der Situation abzuschätzen.
    Inzwischen würde Anne-Marie Hy erzählt
haben, daß ich möglicherweise einen Weg gefunden hatte, das
Golden-Hills-Projekt von Transpacific zu stoppen. Angesichts seiner
offensichtlichen Verwicklung in die Geschichte konnte das eine persönliche
Bedrohung für ihn bedeuten. Aber wie sehr fühlte er sich bedroht, und wie weit
würde er gehen, um mich aufzuhalten?
    Nehmen wir den schlimmsten Fall, daß er
so weit ginge, mich zu töten. Er könnte meine Leiche nicht einfach aus dem
Flugzeug werfen und behaupten, ich sei nie in Reno aufgetaucht. Die Fluglinie
hatte meinen Namen auf der Passagierliste. Leute wie Dan hatten uns hier
zusammen gesehen. Wollte er meinen Tod als Unfall

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