Niewinter 01 - Gauntlgrym
eine Chance, das hier zu überleben, Dahlia, und dich erneut unter den Dienern unseres Herrn einzureihen. Vielleicht kannst du dich in seinen Augen sogar wieder reinwaschen, vielleicht gar in meinen. Entweder das oder der Tod. Willst du dein Leben wirklich so leicht aufgeben?«
Dahlia überlegte kurz. Sie wusste natürlich, dass Sylora ihr das Leben schwer machen würde, aber so hatte sie zumindest eine Chance.
»Komm«, forderte Sylora sie auf. »Überleg es dir. Im Süden tobt eine wilde Schlacht, und zwar mit den Nesser-Barbaren. Es würde dir doch Freude bereiten, ein paar Shadovar zu töten?«
Dahlia fühlte ihren Trotz so vollständig von sich abfallen, dass sie sich fragte, ob Sylora sie mit einem Zauber belegt hatte. Aber diese Sorge verflog rasch, denn sie kannte den wahren Grund für ihre schwindende Entschlossenheit. Gab es etwas auf der Welt, was Dahlia mehr hasste als die Nesserer?
Sie sah Sylora an, denn sie traute der Frau aus Tay nicht.
»Wenn ich deinen Tod wollte, meine Liebe, dann wärst du bereits tot«, antwortete Sylora auf ihr erkennbares Misstrauen. »Ich hätte die ganze Straße mit Todesmagie füllen können – oder mit mordlüsternen Ashmadai.« Sie streckte ihr die Hand hin. »Unser Weg führt nach Süden, gegen Nesser. Ich ernenne dich zum Hauptmann, und solange du gut kämpfst, lasse ich dich in Ruhe.«
»Ich soll Sylora Salm trauen?«
»Kaum. Aber ich diene Szass Tam, und der setzt noch Hoffnungen in dich. Wenn das Ungeheuer ausbricht, beanspruche ich die Katastrophe für mich, denn sie ist mein Verdienst. Du wirst dabei eine Nebenrolle spielen, als diejenige, die Informationen gesammelt, aber im entscheidenden Moment versagt hat. Andererseits bist du noch jung und kannst dir mit jedem Unhold aus Nesseril, den du erschlägst, neues Vertrauen erwerben.«
Dahlia stoppte die immer noch wirbelnden Enden ihres Stabs, klappte ihn ein und machte ihn wieder zum Wanderstab. Dann bückte sie sich, um die Brosche aufzuheben, betrachtete sie kurz und steckte sie schließlich wieder an ihre Bluse.
Auf der anderen Seite des Zauns belauschte Barrabas der Graue jedes Wort. Trotz der erheblichen Bedeutung des Gesprächs irritierte ihn besonders die Erwähnung des Drow und des Zwergs, die irgendwie mit dieser Elfenkriegerin, Dahlia, zusammenhingen. Sein kurzer Aufenthalt in Luskan war bisher wenig ergiebig gewesen, obwohl er in die Unterstadt vorgedrungen war und dort mit dem Phylakterion gesprochen hatte, das den Geist von Arklem Greeth barg.
Noch passten nicht alle Teile zusammen, aber für den verfluchten Alegni dürfte es bereits reichen.
Bald darauf war er wieder unterwegs. Auf einem heraufbeschworenen Nachtmahr, der niemals müde wurde, ritt er in gestrecktem Galopp nach Süden und beobachtete den Rauch, der weit im Südosten zum klaren Himmel des Spätsommers aufstieg.
Viele Meilen entfernt ritt auch Drizzt Do’Urden auf einem magischen Tier nach Süden und sah dabei denselben Rauch. Am ersten Nachmittag seines Erscheinens hatte Drizzt Bruenor in dem Dorf zurückgelassen, wo sie sich gegen Essen und Unterkunft nützlich gemacht hatten.
Andahars lange Beine trugen den Elfen geschwind und unbeirrt durch die bewaldeten Berge. Drizzt ließ die Glöckchen am Zaumzeug des Einhorns klingeln, weil ihr Lied eine willkommene Abwechslung war.
Für den Drow und seinen Freund war der Sommer schwierig und zäh verlaufen. Die fortwährende Enttäuschung, von einer Sackgasse in die nächste zu stolpern, machte Bruenor allmählich zu schaffen. Drizzt merkte, dass der einstige König seinen raubeinigen Freund Pwent vermisste, obwohl Bruenor dies natürlich nie zugeben würde.
In Drizzt hingegen meldete sich eine Rastlosigkeit, die er vor Bruenor sorgsam geheim hielt. Wie viele Jahre wollte er noch in Höhlen nach Hinweisen auf ein altes Zwergenreich suchen? Bruenor war sein ältester und bester Freund, aber nun waren sie schon sehr lange nur zu zweit unterwegs. Die Trennung vor ein paar Tagen hatte beiden gutgetan.
Der Drow trieb Andahar mit aller Kraft voran, und als er schließlich eine größere Straße erreichte, hielt er sich nicht vorsichtig an der Seite, wie es in diesen Zeiten, wo Banditen durch die wilden Felsspitzen zogen, eigentlich ratsam war.
Er dachte nicht offen darüber nach, denn er wollte es nicht einmal sich selbst eingestehen, aber Drizzt Do’Urden könnte gerade nichts Besseres passieren als eine Begegnung mit ein paar Räubern, am besten einer ganzen Bande. Seine Säbel
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