Niewinter 4: Die letzte Grenze
gehalten, ja, für kühn, weil er unaufgefordert in Draygo Quicks Burg eingedrungen war, und dabei hatte ihn selbst diese Person, die ihn jetzt von der Seite her beobachtete, auf Anhieb durchschaut. Wie also sollte er dem Fallbeil von Draygo Quicks Urteil noch entrinnen?
»Du bist ja immer noch da«, stellte die Wandlerin von der anderen Seite her fest.
»Ich wollte ihn stehlen«, räumte Effron ein. In dem sich anschließenden Schweigen wagte er kein weiteres Wort und keine Bewegung.
»Sag das noch mal«, verlangte die Wandlerin. Als er aufblickte, saß sie wieder friedlich auf der Bank.
»Ich wollte ihn stehlen«, gab er zu.
»Du wagst es, Draygo Quick derart zu betrügen?«
»Ich hatte keine andere Wahl«, entgegnete Effron. In seine Stimme mischte sich Verzweiflung. »Ich muss zu ihr gelangen, verstehst du nicht? Und durch ihre ständig wachsende Schar von Verbündeten kann ich mich unmöglich hindurchkämpfen!«
Das Bild der Wandlerin blickte zu Effrons linker Seite. Er sah gerade noch einen Beutel hinter sich durch die Luft fliegen, fuhr herum und erblickte die Wandlerin, die diesen Beutel auffing. Als Effron sich wieder der Bank zuwandte, saß die Frau dort und ließ die Münzen klingeln.
»Du hattest die Wahl«, bemerkte Draygo Quick, der jetzt links aus dem Gebüsch trat, erst geisterhaft, dann aber rasch dreidimensional.
»Meister«, flüsterte Effron und senkte den Kopf. Sollte er auf die Knie fallen und um Gnade betteln? Auch das wäre vermutlich vergeblich. Sein eigenes Geständnis hatte ihn in die Falle geführt, und es schien kein Entrinnen zu geben.
»Danke«, sagte Draygo Quick zur Wandlerin.
»Meine Arbeit hier ist getan?«, fragte sie.
Er nickte.
»Dann schaff diesen Krüppel bitte von hier weg«, verlangte sie.
Effrons Blick verriet, dass ihre harten Worte ihn ernsthaft verletzt hatten. Immerhin hatte er sie angeheuert und gut bezahlt …
Sie erwiderte seinen Blick mit einem hilflosen Achselzucken. Dann war sie verschwunden.
»Komm mit«, forderte Draygo Quick ihn auf und betrat den sumpfigen Weg zu seinem Wohnsitz.
Effron schloss gehorsam hinter ihm auf, bis Draygo Quick ihn neben sich winkte.
»Du glaubst wirklich, du könntest einfach so bei mir hereinspazieren und mir etwas so Kostbares wie Guenhwyvar stehlen?«
»Ich wollte sie nur ausleihen«, erwiderte Effron.
»Du hättest sie dem Drow gegeben, um ihn von Dahlia fernzuhalten«, stellte Draygo Quick fest.
»Ich wollte dem Drow androhen, sie zu vernichten, wenn er nicht den Weg freimacht«, antwortete Effron.
»Hat die Wandlerin im Tunnel nach Gauntlgrym nicht ebendies versucht?«, fragte der alte Hexer. »Und war es nicht sinnlos?«
»Es wäre etwas anderes, glaube ich, wenn derjenige, der die Katze hat, auch dazu in der Lage wäre, sie vor Drizzt Do’Urdens Augen umzubringen.«
»Das also war dein Plan?«
Effron nickte.
Draygo Quick lachte ihn aus. »Du begreifst nicht, wer dieser Drizzt Do’Urden ist.«
»Ich muss es versuchen.«
»Guenhwyvar ist bereits wieder bei ihm«, erklärte Draygo Quick.
Effron riss die Augen auf. »Du hast sie ihm zurückgegeben? Er hat meinen Vater getötet! Er und seine Freunde haben uns in Gauntlgrym geschlagen! Und davor in Niewinter! Sie haben das Schwert zerstört! Du belohnst einen erklärten Feind des Reiches Nesseril?«
»Du wirst anmaßend.«
Die Ruhe in Draygo Quicks Stimme nahm Effron den Wind aus den Segeln.
Der alte Hexer blieb stehen und sah seinem ehemaligen Schüler ins Gesicht. »Der Panther dient mir in Drizzts Gruppe als Spion«, sagte er. »Das möchte ich nicht aufgeben. Beziehungsweise, ich bestehe darauf.«
»Spion?«
»Ich weiß, dass du Dahlia nachjagen willst. Davon kann ich dich nicht abhalten, so töricht es auch erscheint, aber vielleicht war ich zu hart zu dir. In deinem Herzen sind Kräfte am Werk, die mir unbegreiflich sind. Deshalb vergebe ich dir deine Unverfrorenheit.«
Effron geriet vor Erleichterung beinahe ins Taumeln.
»Doch ich will dir etwas verraten, was streng vertraulich ist und dir einen grauenvollen Tod bescheren wird, sollte jemals ein Wort davon über deine Lippen kommen«, fuhr Draygo Quick fort. »Drizzt Do’Urden ist eine Kuriosität, und vielleicht weit mehr als das, und ich habe die Absicht, Genaueres herauszufinden. Er und andere könnten uns Hinweise auf wichtige Ereignisse geben, die unsere Herrschaft und das Schattenreich selbst beeinflussen könnten. Ich biete dir erneut eine Chance, du dummer, kleiner Hexer. Stell
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