Niewinter 4: Die letzte Grenze
betätigen, der das Feuerungetüm wieder in seinem Loch einsperrte.
Thibbledorf Pwent, der Held.
Thibbledorf Pwent, der Vampir.
Drizzt erforschte sein Herz. Was würde er tun, wenn ihm so etwas zustieße? Die Logik des Zwergs war nicht zu widerlegen. Pwent war ein Vampir, und ein Vampir brauchte Nahrung. Blutgeruch würde alle moralischen Hemmungen hinwegfegen, so war das eben. Dieser Teil des Fluchs ließ sich nicht wegdiskutieren, und ein Heilmittel dagegen gab es leider nicht.
»Das also soll dein Ende sein, mein Freund?«, flüsterte er. »Du willst verbrennen?«
»Ich bin mit meinem König in Gauntlgrym gestorben. Ich kehre nur zu ihm zurück.«
»Und es gibt nichts, was ich dagegen sagen kann?«, fragte Drizzt.
»Mein König«, beharrte der Zwerg. »Er wartet bei Moradin auf mich, und bis jetzt habe ich nichts getan, weswegen Moradin mich abweisen sollte. Aber das werde ich noch. Ich weiß, dass es so kommen wird, wenn ich es jetzt nicht beende.«
Drizzt wollte sich auf seine Worte konzentrieren, aber ein beunruhigender Gedanke schlich sich dazwischen, seit Pwent seinen König erwähnt hatte.
»Bruenor wird aber nicht … auferstehen?«, fragte der Drow mit zögernder Stimme. Schon der Anblick seines alten Freundes Pwent in diesem Zustand war für ihn kaum erträglich, aber Bruenor Heldenhammer, der über hundert Jahre sein bester Freund gewesen war, in diesem Zustand zu sehen, würde ihm das Herz brechen.
»Nein, Elf«, versicherte Pwent. »Der liegt in seinem Grab, wo du ihn bestattet hast. Ist ganz natürlich gestorben, und das ist auch gut so, ein echter Heldentod. Nicht so wie ich.«
»Niemand stellt den Heldenmut von Thibbledorf Pwent in Frage, ob bei der Schlacht um Gauntlgrym oder in den zahllosen Kämpfen davor«, erklärte Drizzt. »Deine Taten sind Legende und dein Ruhm unvergänglich.«
Pwent nickte und grunzte dankbar, ohne das Offensichtliche auszusprechen: dass sein Ruhm nur dann Bestand haben würde, wenn er seinem derzeitigen Schicksal trotzte. Und dazu gab es nur einen Weg.
Er legte seine fette Hand auf die von Drizzt und wiederholte: »Ach, mein König.«
»So sei es denn«, sagte Drizzt, obwohl er die Worte kaum über die Lippen brachte.
Dahlia rief nach ihm. »Lass uns gehen. Ich will so schnell wie möglich nach Niewinter zurück.«
»Leb wohl, mein Freund«, sagte Drizzt und verließ die Höhle. »Setz dich in Zwergenheim zu König Bruenor an die Tafel, und stoße mit ihm an!«
»Auf Clan Heldenhammer und auf dich, Elf!«, erwiderte Pwent, und seine Gelassenheit tat Drizzts Herz gut. Offenbar hatte Pwent sich mit seinem Schicksal abgefunden, weil er verstand, dass es nicht nur das Beste für ihn war, sondern letztlich die einzige Wahl. Dennoch war Drizzts Herz schwer, als er ihn zurückließ.
Draußen blieb er stehen und drehte sich zu dem dunklen Eingang um, obwohl Pwent nicht mehr zu sehen war. Eigentlich müsste er bleiben und zusehen, dachte er. Das war er dem Schildzwerg doch schuldig, der ihm und Bruenor über so viele Jahre beigestanden hatte. Pwent hatte im letzten Kampf um Gauntlgrym genauso tapfer gekämpft wie jeder andere, und jetzt sollte Drizzt einfach gehen und ihn von der aufgehenden Sonne zu Asche verbrennen lassen?
»Komm schon«, bat Dahlia.
Drizzt warf ihr einen zutiefst verärgerten Blick zu.
»Du kannst nichts mehr für ihn tun«, erklärte sie, während sie zu ihm kam und seine Hand nahm. »Er hat die richtige Wahl getroffen. Das kannst du nicht bestreiten, oder? Ansonsten solltest du umkehren und ihn für uns engagieren. Ich weiß, was für ein mächtiger Begleiter ein Vampir ist.«
Drizzt sah sie prüfend an, weil er nicht wirklich begriff, worauf sie hinauswollte. Thibbledorf Pwent mitnehmen … War er seinem alten Freund dies nicht schuldig?
»Aber er braucht Nahrung«, fügte Dahlia hinzu. »Und wenn er nichts Besseres findet als Goblins und dergleichen, wird er sich an einem Elfen oder Menschen festbeißen. Anders geht es nicht. Er kann dem Hunger nicht widerstehen – sonst gäbe es längst mächtige Vampirstaaten, und welcher König könnte sich ihnen oder der Versuchung der Unsterblichkeit widersetzen?«
»Weißt du das genau?«
»Ich habe viel Erfahrung mit derartigen Kreaturen«, antwortete Dahlia. »In Tay wimmelt es nur so von ihnen.«
Drizzt blickte noch einmal zur Höhle.
»Du kannst nichts mehr für ihn tun«, flüsterte sie. Als Drizzt sich wieder zu ihr umdrehte, sah er in ihren blauen Augen echtes Mitgefühl, das
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