Niewinter 4: Die letzte Grenze
davon.«
»Du hast keine Wahl«, sagte Entreri und trat auf ihn zu.
»Drizzt?«, fragte Beniago.
»Einverstanden«, sagte der Drow.
Beniago reichte den Dolch Entreri.
»Reiten wir zusammen nach Letzthafen, um die Gefangenen abzuholen?«
»Du hast kein Pferd, das mit uns mithalten könnte«, erwiderte Drizzt. »Reite in zwei Tagen los oder schicke jemanden aus. Dann trefft ihr unseren Wagen mit den Gefangenen ungefähr auf halber Strecke.«
Drizzt warf Entreri einen Blick zu, der den juwelenbesetzten Dolch in seiner Hand anstarrte. Auf seinem Gesicht zeichneten sich Verwirrung und Erleichterung ab. Das konnte Drizzt gut verstehen. Das vertraute Gewicht der Waffe weckte in Artemis Entreri vermutlich eine Vielzahl an Erinnerungen, gute und weniger gute.
Bald danach waren die beiden wieder unterwegs und preschten auf ihren unermüdlichen magischen Geschöpfen nach Süden. Artemis sprach den ganzen Weg kein Wort.
Und Drizzt beließ es dabei.
Kapitel 10
Die Mastspitze der Seekobold
Die Elritze glitt aus dem Hafen von Luskan, umrundete die Schanzeninsel und gelangte so in die starke Frühlingsströmung. Am Bug stand Drizzt mit dem Führungsseil in der Hand und sah das Ufer vorbeiziehen, das er so gut kannte, weil er früher Jahr um Jahr hier gesegelt war. Das Einzige, was fehlte, war der eindrucksvolle, baumartige Hauptturm des Geheimwissens mit seinen scheinbar gewachsenen Ästen.
Der Anblick von Luskan war Drizzt jedoch keineswegs angenehm. Er hatte diesem rauen, in vielerlei Hinsicht gesetzlosen Ort nie viel abgewinnen können, besonders seit dem Tod von Kapitän Deudermont, aber andererseits war er hier lange Jahre zu Hause gewesen. All das war natürlich Vergangenheit, und hier draußen auf dem Meer schien die schlimmste Erinnerung, der Tod Deudermonts durch die Hand von Kensidan der Krähe von Schiff Rethnor, zu verblassen. Drizzts Gedanken wanderten von diesen schlimmen Tagen zu der Zeit zurück, als er mit Catti-brie und Deudermont auf der Seekobold aus ebendiesem Hafen aufgebrochen war.
Ein Lächeln legte sich über sein Gesicht, wenn er daran dachte, wie aufregend die gemeinsame Piratenjagd gewesen war. Er hatte an Deck bereitgestanden, die Säbel in der Hand, neben ihm Catti-brie mit Taulmaril dem Herzenssucher, um das Piratendeck in Brand zu setzen und Drizzt und Guenhwyvar den Weg zum Entern frei zu machen.
Der Drow schloss die Augen und überließ sich dem Wind und der Gischt und drehte den Kopf dabei langsam hin und her, um die schweren Gerüche und das Gefühl der salzigen Seeluft besser in sich aufzunehmen. Bei einer dieser Bewegungen blinzelte er kurz und nahm dabei den Mast eines alten Schiffswracks wahr, das am Südhafen auf die Felsen aufgelaufen war.
Die Seekobold.
Drizzt erkannte den Großmast, der im dunklen Wasser bis zu dem zerschellten Rumpf des gesunkenen Schiffes reichte. Dass in den wilden Gewässern von Luskan überhaupt noch ein nennenswerter Teil des Schoners übrig war, zeugte von seiner erstklassigen Bauart, konnte Drizzt, der an der Reling stand und dem Ruhm von Kapitän Deudermont nachtrauerte, jedoch nur wenig trösten.
Auch an Robillard dachte er, den mürrischen Schiffszauberer, einen mächtigen Magier, dessen Worte so scharf und treffend waren wie seine ewigen Blitzschläge. Robillard war auf See lange Deudermonts Trumpfkarte gewesen, denn kein Zauberer war geschickter darin gewesen, ein feindliches Schiff genau an der Wasserlinie zu treffen oder die Segel der Seekobold mit einem Windzauber zu blähen.
Auch Robillard war sicher schon lange tot, dachte Drizzt. Er fragte sich, ob der Mann diese Welt wohl zwischen lodernden Feuerbällen und eisigen Hagelkörnern an Deck eines Piratenschiffs verlassen hatte. Das brachte den Drow wieder zum Lächeln, denn er dachte daran, wie Robillard diese Taktik bei hohem Seegang an einem Piratenschiff angewendet hatte. Die Bogenschützen der Piraten waren kreuz und quer über das Deck gerutscht, bis die halbe Mannschaft im offenen Meer trieb und damit leicht zu erwischen war.
Dann dachte er an die Glückssträhne, das Schiff des jungen Kapitäns Maimun.
»Jung …«, flüsterte Drizzt. Auch dieser Mann war sicher längst tot. Nachdem Luskan an die fünf Hochkapitäne gefallen war, hatte er Deudermonts Erbe als größter Piratenjäger der Schwertküste angetreten, soweit Drizzt gehört hatte. Noch Jahre später hatte Drizzt entlang der ganzen Küste immer wieder von der Glückssträhne flüstern hören, in der Regel dankbar und
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