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Nigger Heaven - Roman

Nigger Heaven - Roman

Titel: Nigger Heaven - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walde + Graf Verlag
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nicht!« von sich gab. Dann kam Hester mit einem Tablett zurück, auf dem sich hübsches altes Sheffield-Service und zwei dünne Porzellantassen befanden.
    »Schenk du ein, Mama«, schlug Hester vor.
    »Regnet es noch?«, erkundigte sich Orville bei den neuen Gästen.
    »Ich glaube, es hat aufgehört«, sagte Conrad Gladbrook. Seine Frau kicherte nervös.
    »Der Regen hat aufgehört, Mama«, informierte Hester ihre Mutter.
    »Ich habe nie das Gegenteil behauptet«, konterte die Mutter gereizt.
    »Möchten Sie Sahne, Mrs Gladbrook?«
    »Bitte«, flüsterte die Angesprochene kaum vernehmbar.
    »Ich fragte, ob Sie Sahne nehmen!«, donnerte Mrs Albright.
    »Sie sagt, sie bittet darum, Mama.«
    »Hören Sie«, sagte Webb zu Mary, »ich war in Ihrer Ausstellung. Sie ist einfach bezaubernd!«
    Mary dankte ihm, ohne weiter auf das Thema einzugehen. Ihr schien, sie hätte an diesem Abend bereits genug über die Ausstellung gehört. »Haben Sie«, sagte sie und rührte in ihrem Kaffee,
    »John Bolivars neue Erzählung gelesen?«
    Hester, die Sandwiches herumreichte, beantwortete diese nicht an sie gerichtete Frage. »Oh, ja«, versicherte sie. »Wie ordinär! Wie kann er über so vulgäre Leute schreiben? Ich meine, selbst hier in Harlem gibt es jede Menge Ärzte und Anwälte, und in Washington haben wir eine wirklich feine Gesellschaft. Ich verstehe nicht, warum man diesen ganzen Dreck ans Tageslicht zerrt. Niemand will so etwas lesen.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, stimmte Orville zu. »Ganz und gar. Honi soit qui mal y pense.«
    Mary musste unwillkürlich lächeln. »Vielleicht«, verteidigte sie den Autor, »ist das Milieu, das er beschreibt, eben neuer und interessanter als das eines Arztes und Anwalts.«
    »Aber Mary, wie können Sie so etwas sagen!«, protestierte Hester.
    »Ich finde das schamlos.«
    Mary verzweifelte. »Wollen Sie nicht etwas für uns singen, Webb?«, flehte sie.
    »O oui! Chantez, s´il vous plait, chantez!«, flötete Orville.
    »Webb singt so gut«, teilte Hester den verschüchterten Gladbrooks mit. Mrs Gladbrook kicherte.
    Webb holte seine Noten aus dem Vorzimmer und ging zum Klavier. Nach längerem Suchen wählte er ein Heft aus und begann zu singen, während er sich selbst begleitete.
    Who is Sylvia? what is she?
That all our swains commend her:
Holy, fair, and wise is she;
The heaven such grace did lend her,
That she might admired be.
Is she kind, as she is fair?
For beauty lives with kindness:
Love doth to her eyes repair,
To help him of his blindness.
    [Wer ist Sylvia, was ist sie? / Dass alle Bauernburschen sie preisen, / Gesegnet, hold und weise ist sie; / Der Himmel schenkte eine solche Anmut ihr, / Dass man sie nur bewundern kann. / Ist sie so gütig wie auch hold? / Denn Schönheit und Güte sind eins, / So dass die Liebe in ihren Augen Blindheit heilen kann.]
    Webb sang mit unsicherer Tenorstimme. Die Töne blieben ihm häufig im Hals stecken, und er hatte sie nicht unter Kontrolle. Die anderen saßen aufrecht und steif herum, während er sang, und als er aufhörte, bemerkte Hester mit einem unterdrückten Gähnen:
    »Reizend! Sehr hübsch.«
    Die Gäste stimmten ohne Enthusiasmus zu.
    »Klassisch und anmutig«, bestätigte Orville. »Ein wahres Kleinod.«
    Mary fragte in einem Anfall von Bosheit: »Kennen Sie keine Spirituals?«
    »Ein oder zwei«, gab Webb zu.
    »Oh, bitte, singen Sie doch eins.«
    Webb stand auf und wandte sich seinem Publikum zu. Hester blickte eisern.
    »Ich singe Spirituals ohne Begleitung«, erklärte er und begann dann ganz schlicht:
    Walk together, children,
Don´t you get weary,
Walk together, children,
Don´t you get weary,
There´s a great Camp-meeting
in the promised land.
Going to mourn and never tire,
Mourn and never tire,
Mourn and never tire,
There´s a great Camp-meeting
in the Promised Land.
    [Schreitet gemeinsam vorwärts, Kinder, / Und verzaget nicht, / Schreitet gemeinsam, Kinder, / Und verzaget nicht, / Im Gelobten Land treffen wir uns alle wieder. / Traurig werden wir sein, doch niemals müde, / Traurig, aber niemals müde, / Ein großes Treffen wird da sein im Gelobten Land.]
    Mary spürte, dass er bei diesem Vortrag von seinem Gefühl beherrscht wurde, seine Stimme veränderte sich und ließ die Schwächen seiner Technik vergessen. Obwohl er das Lied nicht im richtigen Dialekt vortrug, klang es authentisch. Und welch eine Veränderung bei den Hörern! Mrs Gladbrook weinte. Mr Gladbrook und Orville wiegten sich zum

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