Nigger Heaven - Roman
Küche zurück. Mary hörte sie, obgleich die Tür geschlossen war, sprechen und lachen. Sie wusste, dass von ihr die Rede war, und sie war zugleich wütend und glücklich darüber, wütend, weil man sie neckte, und glücklich, weil dafür ein Grund vorhanden war. Im Übrigen fand sie es durchaus angebracht, sich nochmals zu frisieren.
Eine Stunde später sah sie auf die Uhr. Es war neun Uhr dreißig. Fast gleichzeitig klingelte es, und sie hörte, wie Olive die Küchentür öffnete und zur Wohnungstür ging. Sie lauschte in Erwartung seiner Stimme. Sie wurde enttäuscht: Es war Dick Sill. Er zog sich mit Howard und Olive in die Küche zurück. Sie konnte sie von ihrem Zimmer aus lachen hören. Jetzt erzählten sie es Dick. Sie versuchte vergeblich zu lesen. Sie zog den Vorhang zurück und spähte aus dem Fenster. Die Straße war leer. Sie ordnete nochmals ihr Haar. Dann ging sie, einem plötzlichen Impuls folgend, in Olives Zimmer und träufelte einige Tropfen Narcisse Noir auf ihr Taschentuch und hinter ihre Ohren.
Es klingelte erst um zehn Uhr dreißig wieder. Mary eilte zur Tür, aber Olive kam ihr zuvor.
»Sie sind also der neue Scheich«, begrüßte ihn Olive.
»Sehe ich so aus?«, lachte er und rief dann: »Hallo, Mary!«
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Mary. »Legen Sie doch ab und lassen Sie sich Mr Allison und Mr Sill vorstellen.«
Die beiden jungen Männer standen grinsend an der Küchentür.
»Freut mich, sie beide kennenzulernen.«
»Sind Sie mit Robert Kasson verwandt?«, fragte Dick.
»Er ist mein Vater.«
»Ich habe von ihm gehört. Ich war früher oft in Philadelphia.«
»Setzen Sie sich doch«, sagte Mary einladend.
»Ja, setzt euch doch endlich alle«, wiederholte Olive.
»Waren Sie an der Howard-Universität?«, erkundigte sich Dick.
»Nein, an der Pennsylvania. Ich wollte es mit einem weißen College probieren. Ich muss mich doch in einer weißen Welt zurechtfinden, und ich dachte, das könnte nützlich sein.«
»War es das?«
»Wie soll ich das wissen?«
»Byron wird Schriftsteller«, bemerkte Mary.
»Ich möchte schreiben, aber ich muss meinen Unterhalt verdienen, bis ich davon leben kann.«
»An was haben Sie denn gedacht?«, fragte Howard.
»Ach, nichts Spezielles. Ich möchte einfach Geld verdienen, bis es mit dem Schreiben klappt.«
»Sie werden viel Vergnügen mit den Weißen haben«, bemerkte Dick bitter.
»Was meinen Sie?«
»Haben Sie sich im College nicht hübsch im Zaum gehalten?« Byron schwieg.
»Sind Sie zu ihren Gesellschaften eingeladen worden?«
»Nein«, antwortete Byron. »Es war aber nicht so schlimm.«
»Na, es wird auch hier nicht so schlimm werden, solange Sie einfach ein verdammter Neger bleiben und Ihren Platz kennen«, erklärte Dick. »Man wird auch Ihnen die Wahl lassen. Sie können Liftboy werden oder Klaviere schleppen.«
»Dick!«, bat Mary.
»Es ist doch die Wahrheit«, rief Olive. »Lass ihn nur reden.«
»Mir macht es nichts aus. Ich habe das alles schon gehört«, sagte Byron. »Ich denke, ich werde doch etwas Besseres finden. Und wenn nicht, versuche ich es in Harlem. Ich dachte nur, dass ich Downtown mehr Geld verdienen könnte.«
»Es in Harlem versuchen, ja?« Dick verzog höhnisch die Lippen.
»Da werden Sie es nicht leichter haben. Howard zum Beispiel ist Rechtsanwalt, aber die Schwarzen wollen keine schwarzen Rechtsanwälte. Wenn sie Probleme haben, gehen sie zu weißen Rechtsanwälten, und sie gehen zu weißen Banken und zu weißen Versicherungsgesellschaften. Ihre Einkäufe machen sie bei den Weißen auf der 125 th Street. Die meisten«, fügte er heftig hinzu, »beten sogar zu einem weißen Gott. Von den Schwarzen brauchen Sie nichts zu erwarten.«
»Glauben Sie ihm nicht«, rief Mary. »Sie werden vorwärtskommen, ja, das werden Sie …« Ihre Stimme zitterte unentschieden. Olives Augen funkelten. »Ach, Mary, kommst du denn vorwärts? Bekommst du etwa nicht weniger Gehalt als deine weißen Kolleginnen, und werden sie nicht eher befördert, auch wenn sie nur die Hälfte deiner Erfahrung und Fähigkeiten haben?«
»Das stimmt«, sagte Mary, »aber entmutigt ihn doch bitte nicht.«
»Sie entmutigen mich nicht«, sagte Byron. »Ich habe Kraft und Ausdauer und werde eine Arbeit finden. Sie werden es schon sehen. Ich bin nicht wählerisch.«
»Nun, mein Guter«, sagte Howard, »dann wünsche ich Ihnen viel Glück. Wir alle tun, was wir können, aber es sind doch die anderen Schwarzen …«
»Wollen die nicht, dass einer
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