Nigger Heaven - Roman
vielleicht hübsch ausgesehen hätte, bei Hester aber nur unelegant wirkte. »Très, très jolie«, plapperte Orville mit seiner dünnen, krächzenden Stimme nach.
»Diese charmante Musik! Charmante!«
»Sie macht Lust zu tanzen«, kommentierte Byron trocken.
»Natürlich ist das Publikum doch recht gewöhnlich. Diese berüchtigte Sartoris ist hier, und das gleich nach dem furchtbaren Skandal mit Sid Hawthorne.«
»Mir ist von einem furchtbaren Skandal nichts bekannt«, sagte Mary ruhig.
»Nun, Sergia Sawyer …«
»Ah, natürlich … Wo ist Mrs Sartoris?«, erkundigte sich Mary.
»Ich kann sie jetzt nicht sehen. Sie hat etwas Rotes an, etwas ganz Grellrotes.«
»Orange«, widersprach Orville mutig.
»Scharlachrot«, schnappte Hester, »ein grelles Scharlachrot. Ach, da ist ja auch dieser schreckliche Randolph Pettijohn. In Washington haben wir nie solche gemischten Gesellschaften!«
Mary hörte nicht mehr hin. Sie hatte sich instinktiv umgedreht, um nach dem Bolito-King Ausschau zu halten. Er verbeugte sich würdevoll vor ihr, und sie nickte ihm zu. Sie fragte sich, wer die junge Frau an seiner Seite war. Sie war mit ihrem goldbraunen Teint recht hübsch, aber etwas an ihr deutete darauf hin, dass sie sich in dieser Umgebung unwohl fühlte. Sogar ihr Kleid, rosa Seidenkrepp, vereinzelt dekoriert mit purpurfarbenen Samtorchideen, war etwas zu theatralisch, und die weißen Strümpfe und bronzegrünen Schuhe waren bemitleidenswert geschmacklos.
»Sind Sie neu in unserer Mitte?«, hörte Mary Orville zu Byron sagen.
»Ja«, war die lakonische Antwort.
»Ach, da ist ja Adora Boniface!«, kreischte Hester. »Sie war früher beim Varieté. Solche Leute würde man in Washington nicht empfangen. Hier ist die Gesellschaft doch sehr gemischt.«
»Wie geht es Ihrer Mutter?«, erkundigte sich Mary, die schnell das Thema wechseln wollte. »Ich sah sie vor einer Weile in einer Loge.«
»Es geht ihr nicht besonders gut. Das Wetter ist so scheußlich und ihrem Rheuma nicht zuträglich. Arme Mama! Ihr Zustand ist ziemlich schlecht.«
»Un peu malade, un petit peu«, erklärte Orville. Er rieb sich die Handflächen und ließ den Blick nicht von Byron.
»Wir haben sie quasi gezwungen hierherzukommen, sie geht so wenig aus«, sagte Hester. »Plaudern Sie doch ein wenig mit ihr.«
»Aber gern«, sagte Mary und entfernte sich.
»Eingebildete Ziege!« Byron war schlecht gelaunt.
»Sie kann eben nicht anders, aber Orville ist sogar für mich etwas zu viel.«
»Alberne Schwuchtel!«, knurrte Byron.
»Ach, du alter Brummbär, wenn ich mit dir tanze, vergesse ich sie alle.«
»Ich auch!«
»Sie spielen den Tin Roof Blues !«
»Komm, wir tanzen!« Er nahm sie in die Arme. Sie legte ihren Kopf zärtlich an seine Schulter und schloss die Augen.
»Na, ihr Turteltäubchen!«, rief Olive. »Wie geht’s dem jungen Scheich?«
»Und selbst, du Sahneschnitte?«, sagte Byron lächelnd. Plötzlich sah Mary den gutgelaunten Montrose Ebson vor sich.
»Hallo, Monte! Wie sind Sie denn hierhergekommen?«
»Alle Kinder Gottes haben einen Ford!«
»Und wo ist Yuma?«
»Alle Kerle sind hinter ihr her.« Er zog ein Rasiermesser aus seiner Westentasche. »Sie sollten sich vorsehen. Mit mir ist nicht zu spaßen, wenn ich in Rage komme. Das Messer ist gut für Schnitzereien, wenn Sie mich verstehen. Ich lasse mir keine Hörner aufsetzen.«
»Ich sehe sie«, sagte Olive, »sie sitzt dort in einer Loge.«
»Mein Gott! Mit dem Garvey-Adel, der Herzogin der Bronx und der Gräfin von Hackensack! Wenn sie sich mit diesen Dämchen abgibt, werde ich einen Packard kaufen müssen!« Er wandte sich an Olive. »Oder ich tausche sie in einem Akt moralischer Verworfenheit gegen Sie aus.«
»Kommen Sie zu sich!«, sagte Olive lachend.
»Seht euch mal Russia Cloudcroft an!«, unterbrach Howard. »Sie gibt sich tragisch!«
»Die Hedda Gabler von Harlem!«, steuerte Montrose bei.
»Monte, Sie könnten Ihre Gelüste ja an ihr ausprobieren!«, kommentierte Olive.
»Ich bin zu schwarz, sie will mit Weißen ausgehen. Sie hat sich gerade von ihrem Mann scheiden lassen. Er war ihr auch zu schwarz. Bis später!«
»Wer war das?«, erkundigte sich Byron.
»Montrose Ebson, er gibt Französischunterricht an einer High-school. Ich vergesse immer wieder, dass du nicht alle Leute kennst.«
»Amüsanter Bursche – so gar nicht wie ein Lehrer.«
»Sein Französisch lädt er nicht beim Tanzpublikum ab«, sagte Olive.
»Was meinte er mit der Hedda Gabler
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