Nigger Heaven - Roman
habe seither selbst einige Skulpturen erstanden.«
»Setzen Sie sich doch, Mary«, bat Mrs Sumner. Mary setzte sich. Er war nirgendwo zu sehen. Zweimal war Hester bereits an ihr vorbeigehüpft und gesprungen, ebenso wie Russia Cloudcroft und viele andere, aber ihn konnte sie nicht finden.
»Ist Ihnen das hier neu, Mrs Lorillard?« Mary versuchte sich in Konversation.
»Nicht gerade neu, aber es ist reizend.«
»Haben Sie vorher schon Tanzveranstaltungen von Farbigen besucht?«
»Nein, niemals. Natürlich war ich schon auf Bällen. Sie sind doch irgendwie alle gleich. Das hier ist aber etwas ganz Besonderes. Diese schönen Frauen! Diese gutaussehenden Männer! Dieses faszinierende Kaleidoskop der Hautfarben! Und diese leidenschaftliche Stimmung! Wissen Sie, Emily«, sie wandte sich an Mrs Sumner, »ich mag Menschen, die Leben in sich haben.«
»Ja, ich weiß«, antwortete Mrs Sumner. »Mary, wie geht es Byron?«
»Danke, bestens.«
»Hat er denn schon Arbeit gefunden?«
»O ja, etwas Ausgezeichnetes!« Eine Sekunde später fragte sie sich, warum sie gelogen hatte.
»Ich bin erfreut, dies zu hören. Aaron hatte da an etwas gedacht, ebenfalls etwas Gutes, das ihm vielleicht zugesagt hätte, aber Byron hat sich bei uns nicht mehr sehen lassen.«
»Er war sehr beschäftigt«, hörte Mary sich sagen.
»Ist das nicht Florence Mill?«, fragte Mrs Lorillard.
»Ja«, sagte Mrs Sumner, »sie hat versprochen, später zu singen.«
Mary fragte sich, ob Mrs Sumner wusste, dass sie gelogen hatte. Wahrscheinlich. Sie hatte das Thema nicht weiter verfolgt und keine weiteren Fragen gestellt. Wie konnte sie, Mary, ihre impulsive und alberne Antwort wieder rückgängig machen? Vielleicht war dieser Abend Byrons große Chance. Warum war sie der Wahrheit ausgewichen? Stolz? Falscher Stolz, gestand sie sich bitter ein.
Mrs Sumner und Mrs Lorillard unterhielten sich. Mary hörte zerstreut zu, ihr Herz pochte heftig. Das Parkett war jetzt voller denn je, und es wurde immer wilder getanzt. Einige Paare versuchten, gemeinsam den Charleston zu tanzen. Die Hitze war überwältigend. Kragen, Blumen und Kleider schienen zu erschlaffen. Mary blickte auf das jämmerliche Bouquet weißer Veilchen an ihrer Hüfte. Manchmal übertönte ein volles, saftiges Lachen das sanfte Klagen des Saxophons. Adora hatte ihren Mantel abgelegt und war aufgestanden; ihre majestätische, paillettenglitzernde Gestalt beherrschte den Saal. Mary suchte weiterhin unruhig die Gesichter der Tanzenden ab. Plötzlich entdeckte sie Ollie, und Ollie tanzte mit Howard!
»Wer ist das?«, fragte Mrs Lorillard. »Die Frau in Blau.«
»Das ist Lasca Sartoris«, hörte Mary Mrs Sumner antworten.
Mary blickte geradeaus. Und da war er und tanzte mit dem exotischen Gefühl der Schwarzen für Rhythmus, das die Zeit in eine Sache im Raum verwandelt. In seinen Armen hielt er die auffallendste Frau, die Mary je gesehen hatte. Eine türkisblaue Satinrobe schmiegte sich eng an ihren wundervollen Körper und betonte jede Kurve. Das Kleid war so tief ausgeschnitten, dass die kleine Mulde zwischen ihren festen, runden Brüsten deutlich sichtbar war. Ihr goldbrauner Rücken war bis zur Taille vollkommen entblößt. Breite Streifen aus grünen und schwarzen Pailletten, die ein Leopardenfell suggerierten, wanden sich um das Kleid. In ihrem Haar funkelte ein Saphirdiadem und um den Hals ein Halsband aus denselben Steinen.
»Was für eine außergewöhnliche Frau!«, rief Mrs Lorillard aus.
»Wie eine Kokotte aus dem Goldenen Zeitalter! Ich glaube, ich habe noch nie etwas von ihr gehört.«
»Sie lebt in Paris«, erklärte Mrs Sumner. »Sie ist erst seit kurzem wieder hier.«
Mary sah wie durch einen Nebel, dass Dick Sill sich der Loge näherte.
»Möchtest du mit mir tanzen?«, fragte er.
»Es ist zu heiß«, wandte sie ein. »Ja«, widersprach sie sich augenblicklich, »ich will.«
»Ich würde mich freuen, wenn Sie mich besuchen, Miss Love«, sagte Mrs Lorillard. »Vielleicht bringt Emily Sie einmal mit.«
»Danke, furchtbar gern«, murmelte Mary mechanisch, als sie sich mit Dick entfernte.
Die Hitze brachte sie um. Sie wollte gar nicht tanzen, aber sie beflügelte ihre Schritte und gab sich ganz dem Rhythmus hin, den sie nun hasste. Als die Musik aufhörte, applaudierte sie überschwänglich.
»Ich habe dich noch nie so tanzen sehen«, versicherte Dick ihr.
»Ich dachte, du seist müde.«
»Ich bin nie in meinem Leben weniger müde gewesen.«
Plötzlich erhob sich
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