Nigger Heaven - Roman
abessinische Juden, fromme und ungläubige Neger und Intellektuelle, die alle mehr oder weniger friedlich in einer einzigen Gemeinschaft leben, wobei jede einzelne Gruppe ihre eigenen Ansichten, ihre spezielle Atmosphäre und Lebensweise hat. Aber ich sehe nicht, dass Neger über diese Dinge schreiben; sie benutzen immer noch die alten Klischees und Formeln, die von weißen Autoren, die doch über keinerlei Innenansicht dieser Themen verfügten, bereits zu Tode geritten worden sind. Nun, wenn ihr jungen Intellektuellen euch nicht bald dieser Sache annehmt, werden wieder weiße Autoren, die sich die Mühe machen werden, sich besser zu informieren, sich dieses Stoffmaterials bemächtigen, bevor ihr es tut. Wissen Sie, warum ich Ihnen einen Brief geschrieben habe, anstatt Ihnen Ihr Manuskript mit einem Ablehnungsformular zu schicken?«
Byron schüttelte den Kopf.
»Weil ich glaube, dass Sie schreiben können. Der Abschnitt, der die Gefühle des jungen Weißen beschreibt, als er von der Verlobung seiner Schwester erfährt, erinnert direkt an Joseph Conrad. Es ist wundervoll gemacht, kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig. Sehr suggestiv und psychologisch genau. Sie müssen viel Zeit mit Weißen verbracht haben, um sie so gut zu verstehen.«
Byron blickte ausdruckslos vor sich hin.
»Zu viel Zeit«, fügte Durwood hinzu und kaute wild an seiner Zigarre. »Die farbigen Teile wiederum sind schrecklich. Warum lernen Sie nicht Ihre eigenen Leute kennen? Ein protestantischer Droschkenkutscher würde sich über Ihre Prostituierte nur lustig machen. Sie ist so feierlich wie eine Prozessionsleiter. Ihr schwarzer Intellektueller ist da etwas besser gelungen, aber ich muss sagen, dass ich, obgleich meine Vertrautheit mit farbigen Intellektuellen doch recht groß ist, noch nie einen getroffen habe, der gänzlich aus Holz war. Ihr Held ist so fromm wie der Papst, ein so verdammt guter Mensch, dass er absolut idiotisch erscheint. Er gibt Allgemeinplätze von sich, und wenn er geht, hört man die Scharniere in seinen Beinen knacken.« Durwood schlug das Manuskript auf. »Haben Sie schon etwas von Rollo gelesen?«
»Nein, Sir.«
»Brauchen Sie auch nicht, das ist Erbauungsliteratur. Nun, diese Seite hier ist das auch. Mein Gott, lassen Sie doch Ihre Menschen leben und atmen! Geben Sie ihnen Luft. Lassen Sie sie auf das Leben reagieren, natürlich reden und handeln. Ihre Idee ist ja gut, aber sie ist gefährlich. Verdammt schwer, daraus nicht ein Melodram oder Propaganda zu machen. Wohl kaum ein erfahrener Schriftsteller auf der ganzen Welt würde sich daran wagen. Ich kenne keinen, dem das gelingen würde. Lassen Sie mich überlegen …« Er schien nachzudenken. »Nein, das gelänge keinem. Also, das will ich sagen: Suchen Sie sich ein Thema, das Sie durch und durch kennen und überlegen Sie sich dann genau, ob es ein Thema ist, das ein unerfahrener Schriftsteller ohne Bedenken handhaben kann. Sie müssen doch hundert bessere Ideen im Kopf haben. Haben Sie ein College besucht?«
»Ja.«
»Das dachte ich mir. Schriftsteller sollten kein College besuchen. Es erledigt sie für mindestens zwei Jahre nach dem Abschluss. Sie denken wie Professoren und kennen alle blödsinnigen Regeln auswendig. Quatsch! Albernes Zeug! Aber Sie müssen doch auch ein eigenes Leben führen. Wohnen Sie in Harlem?«
»Ja.«
»Das hätte ich nicht geglaubt! Schon eines dieser Nachtlokale besucht?«
»Sehr oft.«
»Nun, das kann ich einfach nicht glauben! Jean Cocteau würde dieses Lokal hier besser beschreiben, ohne jemals von einer solchen Kaschemme gehört zu haben. Ihre Szene liest sich wie die Beschreibung eines Baptistenkränzchens für den neuen Pfarrer. Sie müssen besser beobachten lernen. Autobiographisch ist diese Erzählung offensichtlich nicht. Warum schreiben Sie denn nicht über Ihre eigenen Erfahrungen?«
»Ich erlebe einfach nichts Interessantes.«
»Noch besser! Nichts stimuliert die Phantasie mehr als ein langweiliges Leben. Huysmans hat einen ganzen Roman um die Geburt eines Kalbes und den Tod einer Katze herum gebaut. Aber wenn Sie Langeweile in der Literatur ablehnen, mein Lieber, so sehen Sie sich doch um. Das Leben in Harlem ist nicht langweilig. Es hat mehr Aspekte als ein Diamant Facetten. Wissen Sie etwas über Marcus Garvey?«
»Nicht sehr viel, fürchte ich.«
»Das ist bedauerlich …« Durwood seufzte. »Ich würde gern eine gute Charakterstudie von ihm haben. Nun, das macht nichts. Es gibt reichlich Themen. Das
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