Nigger Heaven - Roman
Dienstmädchen zum Beispiel. Niemand hat etwas über das farbige Dienstmädchen geschrieben, das nicht bei den Herrschaften leben will. Tagsüber wäscht sie das Geschirr ab, und am Abend fährt sie nach Harlem zurück, schlägt ihrem Kerl eins in die Fresse oder geht zum Tanzen oder zu einem scharfen Rendezvous. Alles in allem amüsiert sie sich besser als irgendeine andere Hausangestellte auf der ganzen Welt. Wissen Sie etwas von der schwarzen Lebewelt?«
»Nicht sehr viel.«
»Schade, dass sie nicht mehr davon wissen. Diese Leute tun all das, was auch die reiche weiße Lebewelt auf Long Island tut: Sie spielen Bridge, halten den Schwarzbrenner auf Trab, kurven in einem Rolls-Royce herum und begehen Ehebruch. Nur sind sie unendlich amüsanter als die Leute auf Long Island, aus dem einfachen Grund, dass sie sich wirklich amüsieren. Die Hauptsache ist jedenfalls, dass Sie Ihre Augen und Ihren Verstand benutzen. Roy McKain zum Beispiel war nur ein einziges Mal in Harlem und brachte mir einen ausgezeichneten Text über einen Negerluden. Vermutlich hat er gar keinen getroffen, hat ihn sich nur ausgedacht, aber seine Phantasie arbeitete auf dem Hintergrund seiner Beobachtungen. Das Milieu stimmt. Die Geschichte ist glaubhaft. Sie treibt zügig voran, sie lebt. Ich drucke sie in der Juninummer.« Durwood gähnte. »Nun, ich denke, ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen. Ich möchte Ihnen kein Kompliment machen, weil ich ganz ehrlich der Meinung bin, dass man Ihnen für Ihr schauderhaftes Machwerk den Hals abschneiden sollte, aber es ist eine Tatsache, dass ich in den letzten drei Jahren nicht so viel Zeit damit verschwendet habe, einem Autor Ratschläge zu erteilen. Gewöhnlich nehme ich sie, wie sie eben sind, oder ich lasse sie links liegen. Es hat keinen Sinn, mit Autoren zu diskutieren. Eine schlechtgelaunte und unordentliche Bande. Aber wegen einer Passage in Ihrer Erzählung habe ich mir gesagt: Der Junge bringt´s zu etwas, wenn er Vernunft annimmt. Gehen Sie nach Hause, zerfetzen Sie alles, was Sie geschrieben haben und fangen Sie von vorne an. Beten Sie und besaufen Sie sich. Schicken Sie mir mal etwas anderes, wenn Sie sich entschlossen haben, ein richtiger Schriftsteller zu werden, und nicht ein pseudoliterarischer Blender. Auf Wiedersehen.«
Kapitel 5 Byron wusste nicht, wie er aus diesem Büro, aus diesem Gebäude herausgekommen war. Er war sich nur bewusst, dass er die 6 th Avenue hinaufeilte. In seinem Kopf wirbelten verwirrte Gedanken, und grausame, herzzerbrechende Enttäuschung beherrschte ihn. Selbstmitleid erfüllte sein Herz. Warum musste er, der doch über Talent und Energie verfügte, der etwas Wertvolles zu schaffen versucht hatte, leiden und gedemütigt werden? Er hat mich so behandelt, weil ich ein Farbiger bin!, war seine erhitzte Schlussfolgerung. Er würde es nicht wagen, zu einem Weißen so zu reden. Seine Wut war eine Flamme, die ihn verzehrte.
Plötzlich blieb er stehen. Sollte er zurück und Durwood sagen, was er von ihm hielt? Aber wozu? Er sah seine Machtlosigkeit ein. Man würde ihn nicht in das Büro lassen. Er war ein Neger, und er war allein. Er stöhnte. Er hatte das Verlangen, den Pöbel um sich zu scharren, um diese weiße, hochmütige Welt zu zerstampfen. Er brannte darauf, New York Stein für Stein auseinanderzunehmen, ein Haus nach dem anderen dem Erdboden gleichzumachen, diese weißen Teufel mit den Füßen zu zertreten.
Ein alter Neger mit einem langen, weißen Bart humpelte, auf einen Stock gestützt, den Bürgersteig entlang. Onkel Tom! Old Black Joe! Einer dieser verdammten, willfährigen Nigger, die »ihren Platz kannten«, die sich anpassten!
Er bemerkte, dass er immer noch den Umschlag mit seiner Geschichte in der Hand hielt. Sollte er sie vernichten? Was für einen Sinn hatte seine Schreiberei? Keine Chance. Kein Glück. Nur Fahrstuhlführer konnte so einer wie er werden.
Als er an Mary dachte, tanzten feurige Dämonen vor seinen Augen: Sie war die Erste, die versucht hatte, ihn zu entmutigen. Sie hatte ihm zuerst gesagt, was nun dieses Schwein auf dem Drehstuhl ihm gerade an den Kopf geworfen hatte. Er hatte versprochen, sie anzurufen. Er wollte verdammt sein, wenn er dies tat. Er würde lieber in der Hölle schmoren, als ihr albernes, überhebliches Madonnengesicht nochmals zu sehen. Sie verhöhnte ihn, ja, das war es, sie verhöhnte ihn. Er war fertig mit ihr. Automatisch ging er weiter, ohne zu wissen, wohin und warum. Er lief immer schneller die Avenue
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