Nigger Heaven - Roman
und ging hinein. Nach genau zehn Minuten kam sie wieder zurück.
»Sie haben gerade neue Sachen aus Paris bekommen. Ich habe zwei Kleider gefunden, die mir ganz gut gefallen.«
»Müssen Sie sie denn nicht anprobieren?«
»Ach, das mache ich zu Hause. Warum soll ich mich denn hier ausziehen? In dem Laden interessiert mich niemand. Alles nur Schlappschwänze!«
»Sie sind einfach wunderbar!« Mehr fiel Byron nicht ein.
Sie sah ihn spöttisch an. »Mir scheint, dass ich das schon einmal irgendwo gehört habe. Ihre schlechte Stimmung scheint verflogen zu sein.«
»Woher wissen Sie, dass …?«
»Ich ließ den Wagen volle dreißig Sekunden halten, bevor ich Sie ansprach, und auch das musste ich zweimal tun. Sie schienen äußerst verzweifelt zu sein, fast als ob Sie beschlossen hätten, sich im See zu ertränken.«
»Ich war verzweifelt. Ich habe zuvor niemals an Selbstmord gedacht, aber …«
»Was ist das Problem?«
»Alles geht schief. Für einen Farbigen ist die Welt eine Hölle.«
Sie starrte ihn an, als ob sie etwas sagen wollte, änderte dann aber ihre Absicht. Dann sagte sie: »Sie können gut tanzen. Ich erinnere mich sehr gut an Ihr Tanzen.«
»Sie aber auch. Ich habe seither an nichts anderes gedacht. Ich habe Sie angerufen …«
»Das haben Sie mir schon gesagt. Wir sollten wieder zusammen tanzen. Waren Sie schon einmal im Winter Palace?«
»Nein. Kann ich mir nicht leisten.«
»Nie im Winter Palace gewesen! Lieber Junge, da müssen Sie hin, seien Sie mein Gast!«
»Mit Vergnügen!«
Unter dem Mantel, unter dem Leopardenkleid war er sich ihrer Nähe bewusst. Die körperliche Vitalität dieser Frau wirkte elektrisierend.
»Was ist aus dem komischen Mädchen geworden, mit dem Sie an dem Abend, als wir uns trafen, zusammen waren – Mary oder so ähnlich?«
»Ich nehme an, es geht ihr gut. Ich treffe mich nicht mit ihr.«
»Schien mir eine überhebliche, dumme Gans zu sein. Ich hasse diese Sorte Frau. Sie haben nie etwas geleistet – wurden immer gehegt und gepflegt –, und sie halten sich immer für etwas Besseres.«
Diese Aussage traf sich genau mit Byrons augenblicklicher Meinung, aber seltsamerweise ärgerte es ihn, dies von Lasca zu hören.
»Sie ist schon irgendwie in Ordnung. Ich treffe mich nicht mit ihr«, wiederholte er matt.
»Vergessen wir sie«, sagte Lasca und ergriff seine Hand. Sie blickte ihm fest in die Augen, und zu seinem Erstaunen sah er, dass in ihren strahlenden Augen Tränen standen.
»Gott, wie wunderbar Sie sind!«, rief er und drückte ihre Hand. Sie zog sie sofort zurück und wechselte gleichzeitig die Stellung ihres Beins.
»Atlantic City ist reizend«, bemerkte sie kühl und abweisend. »Ich habe dort so viele Freunde.«
»Gefällt es Ihnen so gut wie New York?«
»Ach, mir ist egal, wo ich bin, und sehr oft auch, mit wem ich bin. Was ich haben will, bekomme ich überall.«
»Sie sind reich«, bemerkte Byron ein wenig bitter. »Für Sie ist es leicht.«
»Ich war nicht immer reich, Byron, aber ich habe immer das gefunden, was ich wollte – selbst Geld.«
»Sie haben mehr Glück als die anderen, als die meisten Farbigen jedenfalls.«
»Die farbigen Frauen haben es nicht schlechter als sonst jemand. Es geht ihnen sogar besser, Sie haben die gleichen Rechte, die die weißen Frauen hatten, bevor die dummen Kühe zu den Wahlurnen durften. Man hält die Farbigen für unverantwortliche Kinder und behandelt sie besonders rücksichtsvoll. In Harlem darf man tausend Dinge tun, für die man Downtown verhaftet würde. Nehmen wir das Numbers-Lotteriespiel, alle spielen es, aber es ist immer noch ein Lotteriespiel und deshalb illegal. Natürlich«, fuhr sie nach einer kleinen Pause fort, »habe ich mich nie sehr viel mit der Tatsache abgegeben, dass ich eine Farbige bin. Es macht für mich keinen Unterschied, und ich habe nie viel darüber nachgedacht. Ich tue einfach das, was ich will.«
»Aber wie ist das möglich? Und was ist mit Diskriminierung? Rassentrennung?«
»All das existiert für mich nicht. Ich würde so etwas nicht gestatten. Ich lebe in New York genauso, wie ich in Paris lebe. Ich tue, was ich will, und gehe, wohin es mir passt – in irgendein Theater oder Hotel –, und bekomme, was ich haben will. Sehen Sie, die meisten Neger sind so empfindlich und ängstlich, dass sie die ungeschriebenen Jim-Crow-Gesetze einhalten, um nicht verletzt zu werden. Dabei müssen Sie bedenken, dass in New York jede Form von Diskriminierung ungesetzlich ist. Mich
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