Night Academy 2
seien und dass sie ihre Pläne ändern müsste, nur weil jemand anders geschlafen hatte. Wir amüsierten uns prächtig darüber.
Jones Island war unbewohnt, etliche Pfade verbanden unseren Lagerplatz im Süden mit der Nordseite der kleinen Insel, wo sich ein einsamer Hafen für größere Boote befand. Unser Lager lag auf einer Klippe, von der wir einen guten Blick aufs Meer hatten. Die Kajaks zogen wir aus dem Wasser und schleppten alle Fressalien nach oben, damit sich keine plündernden Waschbären darüber hermachten. Mr Judan hatte zudem noch ein Schnellboot gemietet, das unten in der Bucht an einer Boje vertäut war. Angeblich war es für Notfälle gedacht, aber bestimmt wollte Mr Judan es bequem haben, statt sich in ein Kajak zu zwängen.
Am Nachmittag war ich mit Catherine, Hennie und Esther zu einer kleinen Wanderung aufgebrochen, um uns die Handvoll Boote anzuschauen, die im Süden vor Anker lagen. Darunter befanden sich einige stattliche Segelboote, doch laut Catherine waren die nichts gegen die fünfzehn Meter lange Jacht ihres Vaters. Leider hatte er sie nie zum Segeln mitgenommen; sie hatte die Jacht nur auf Fotos gesehen.
Nachdem alle schlafen gegangen waren, lag ich noch eine Stunde wach. Cam und ich hatten zusammen überlegt, ob ich mich nicht nach dem Zapfenstreich zu seinem Zelt schleichen könnte, aber keiner von uns hatte es richtig ernst gemeint. Auf der Liste der Vergehen, die eine sofortige Heimreise zur Folge haben würden, standen Mädchen in Jungenzelten ganz oben, und ich hatte keine Lust, Omas Zorn auf mich zu ziehen.
Trotzdem konnte ich nicht widerstehen. Wann würde sich noch einmal die Gelegenheit ergeben, in Cams Armen einzuschlafen? Ich stellte den Wecker meiner Armbanduhr auf halb fünf, um rechtzeitig wieder in mein eigenes Zelt zurückzukehren, klemmte meinen Schlafsack unter den Arm und tapste auf Zehenspitzen durchs nasse Gras. Cam hatte sein eigenes Einmannzelt mitgebracht und es am Rande des Zeltplatzes unter einem Baum aufgestellt.
Als ich den Reißverschluss öffnete, lag er im Schlafsack und atmete ruhig und gleichmäßig. Von den schnell vorbeiziehenden Wolken wurde das graue Mondlicht immer wieder verdeckt, dennoch konnte ich Cams entspanntes, bildschönes Gesicht im fahlen Licht sehen.
Der Reißverschluss war so laut, dass ich die Luft anhielt und mich durch die Öffnung quetschte, sobald sie groß genug war – anscheinend hatte jedoch keiner etwas gehört.
Cam schlug die Augen auf, und um seinen Mund spielte ein leises Lächeln, als ich mich neben ihn legte. »Du hast dich echt getraut«, raunte er.
Ich war nicht so verrückt, in seinen Schlafsack zu kriechen, denn wenn das rauskäme, würden wir von der Schule fliegen, und Oma würde mich umbringen.
Stattdessen schlüpfte ich in meinen eigenen Schlafsack und schmiegte mich wie ein Löffelchen an ihn. »Aber nur zum Schlafen«, sagte ich unschuldig.
Er lachte und zog mich an sich. Ich legte den Kopf auf seinen Arm und seufzte glücklich. Nie hatte sich etwas so gut angefühlt.
29
O bwohl ich mir den Wecker gestellt hatte, schlief ich unruhig und sah jede Stunde auf die Uhr, aus Angst, mich würde gleich jemand an den Ohren aus dem Zelt zerren. Es war kurz nach vier, als ich sah, wie sich eine Messerspitze durch die Zeltwand bohrte.
Entsetzt beobachtete ich, wie die silberne Klinge den dünnen Zeltstoff aufschlitzte. Erst als das Messer den Boden beinahe erreicht hatte, löste ich mich endlich aus meiner Starre. Sanft wirkte ich auf die Schwerkraft des Messers ein, sodass es sich nicht von der Stelle rührte, bis ich Cam wachbekommen hatte.
Verschlafen blinzelte er mich an, gähnte herzhaft und rollte sich wieder auf die Seite. Aus lauter Verzweiflung stieß ich ihn mit dem Fuß an und deutete auf die Zeltwand. Als er meinen wilden Blick wahrnahm und schließlich auf die Stelle schaute, wurde er mit einem Schlag wach. Kaum hatten wir uns aus den Schlafsäcken gepellt, klappte die Zeltwand auf und ein bekanntes Gesicht spähte hinein.
Beinahe wäre es mir lieber gewesen, Jack vor mir zu sehen. Wenigstens hätte ich dann berechtigte Hoffnung haben können, dass der Typ mit dem Messer mir nicht die Kehle aufschlitzen würde. Doch es war Thaddeus, der pausbäckige Anführer, der Cam am Valentinstag fast zu Brei geschlagen hatte. Er trug dasselbe Stirnband wie damals, und auch der verächtliche Blick war gleich geblieben. Thaddeus rückte zur Seite, sodass wir die kleine Gang sehen konnten, die sich vor dem Zelt
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