Night Academy 2
Kontrolle schon immer besessen hast und es einfach eine Frage der Zeit war.«
In der Hoffnung, damit weitere Fragen zu unterbinden, nickte ich. »Bestimmt war ich vorher einfach noch nicht reif dafür.«
»Klingt überzeugend«, dröhnte Mr Anderson. Er schob den Stuhl zurück und erhob sich. »Jetzt aber genug geredet. Womit fangen wir an, Fritz?«
Barrett grinste. »Mr Anderson bekommt nicht oft die Gelegenheit, Schüler auszubilden.«
»Wir haben heute eine Menge zu bereden, Jim«, wandte Mr Fritz ein. »Das wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Aber vielleicht sollten wir eine kleine Übung einschieben. Theorie und Praxis, stimmt’s, Barrett?« Barrett nickte, und Mr Fritz gab uns einen Wink, aufzustehen. Ich erhob mich ganz langsam, mein Blick flog zwischen den dreien hin und her. Ganz automatisch sammelte ich Energie aus meiner Umgebung, um für das Folgende gewappnet zu sein.
»Du hast ja erst vor Kurzem erfahren, dass diese Musikzimmer unsere Bibliothek schützen. Wir haben sie mit einer Titanhülle versehen. Weißt du, was Titan für Eigenschaften hat, Dancia?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Es beeinflusst gewisse Kräfte, unter anderem die Schwerkraft.«
»Was?« Erstaunt riss ich die Augen auf. »Die Schwerkraft funktioniert in diesem Zimmer wie überall. Hier!« Ich ließ meinen Stift fallen, und er rollte unter meinen Stuhl. »Haben Sie gesehen?«
»Jetzt glaubst du also, du weißt, wie alles läuft, nicht wahr?«, fragte Mr Fritz sanft. Als ich nicht antwortete, fuhr er fort: »Ich behaupte lediglich, dass deine Kräfte in diesem Raum nicht wirken. Titan verändert nicht die Kräfte der Natur, wohl aber die Fähigkeiten eines dritten Grades, sich dieser Kräfte zu bedienen. Auf die Fähigkeiten der Lebens- und Körperkräfte-Begabten hat es ebenfalls Einfluss. Wir haben die Räume gebaut, damit wir unterrichten können, ohne dass wir uns Sorgen machen müssen, dass sich die Schüler gegenseitig beeinflussen oder irgendetwas in die Luft fliegt. Hier ist man sicher.«
Ich kaufte es ihm immer noch nicht ab. Resigniert hob er die Hände. »Versuch es einfach.«
»Ernsthaft?«
»Ganz ernsthaft. Bewege deinen Stift.«
Ich sah die drei der Reihe nach an. Mr Anderson machte ein finsteres Gesicht, und in Mr Fritz’ Augen lag ein gefährliches Funkeln, das mir überhaupt nicht behagte. Barrett lehnte an der Wand und starrte auf seine ausgelatschten Ledersandalen. Er vermied meinen Blick.
»Also schön.«
Sobald ich mich gesammelt hatte, sah ich die Kräfte, die ich vorhin beschrieben hatte. Ein Netz von Linien und Fäden unterschiedlicher Dicke zog sich durch das Zimmer und noch über die Grenzen der Wände hinaus. Von allen Seiten zerrten dicke Fäden an meinem Stift, das breiteste und dunkelste Band kam direkt aus dem Boden.
Im Geist drückte ich gegen das Band, versuchte es wie sonst auch allein mit Gedanken aus dem Weg zu schieben. Wenn ich das Gleichgewicht der Kräfte nur für einen Moment stören konnte, würde der Stift durch die Gegend fliegen.
Ich stieß gegen das dunkle Band. Nichts geschah.
Nun stieß ich heftiger. Immer noch nichts.
Ich zerrte und zog.
Nichts.
Inzwischen war mir schon ganz heiß geworden. Nach ein paar weiteren sinnlosen Versuchen funkelte ich Mr Fritz an. »Okay, ich gebe mich geschlagen. Das mit dem Titan funktioniert.«
Mr Anderson schüttelte den Kopf. »Das war ein gemeiner Trick, Fritz.«
»Praxis und Theorie, Dancia«, flüsterte Barrett.
Ich fuhr zu ihm herum. »Was soll das heißen?«
»Mr Fritz hat dir kurz zuvor erklärt, welche Rolle der Geist bei der Entwicklung der persönlichen Gabe spielt. Das hat er dir am konkreten Beispiel soeben vorgeführt«, sagte Barrett.
Sprachlos stand ich da. Mr Anderson zog den Bund seiner Hose hoch und sah auf seine Armbanduhr, als würde er sich mit mir schämen.
»Es gibt hier gar kein Titan, oder?«, fragte ich tonlos.
»Nein«, sagte Mr Fritz.
Ich ließ mich zurück auf meinen Stuhl fallen. »Hören Sie irgendwann auch einmal auf, uns an der Nase herumzuführen?«
»Ich habe dich nicht an der Nase herumgeführt«, sagte Mr Fritz. »Ich habe gesagt, Titan hat einen Einfluss auf Begabungen dritten Grades, und das stimmt auch. Wenn man es glaubt.«
»Wir wollten uns nicht auf deine Kosten lustig machen«, sagte Barrett. »Im Grunde war das eine sehr wichtige Lektion. Es zeigt, wie mächtig der Geist ist. Du musst an deine Fähigkeiten glauben, sonst wirken sie nicht. Genau wie beim Sport. Treibst du
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