Night Academy 2
das nur wüsste.« Barrett riss sein Blatt von der Staffelei. »Mein Vater glaubt an den Hohen Rat und das Programm. Er meint, die Dinge würden sich zum Besseren wenden, wenn er weiter kämpft.«
»Und du?« Spaßeshalber hielt ich ihm den Pinsel unter die Nase. »Du hast doch nicht etwa vor, dich den Irin anzuschließen? Das würde mir den Rest geben.« Bei dem ernsten Ausdruck auf seinem Gesicht verging mir jedoch das Lachen. »Oh, nein. Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
»Nein, natürlich nicht.«
Ich wartete, dass er noch mehr sagen würde. Doch da kam nichts, und ich hakte nach: »Aber … ?«
»Jedes Mal, wenn die Wächter einen von ihnen beseitigen, werden die Irin böser und stärker. Ich habe einfach die Nase voll.«
»Was willst du also dagegen unternehmen?«
»Ich? Gar nichts. Ich bin allein. Was soll ich schon groß ausrichten?«
»Du gibst auf?«, fragte ich verwundert. »Du bist ein mächtiger dritter Grad. Dein Vater sitzt im Hohen Rat. Wenn jemand etwas ausrichten kann, dann du.«
Behutsam tauchte er den Pinsel in rote Farbe und zog lange Streifen über das frische Papier. »Nach dem Schulabschluss werden Tara und ich ein wenig durch die Gegend reisen. Unseren Spaß haben.«
»Spaß? Letzte Woche hätten sie uns fast umgebracht. Und da denkst du nur an deinen Spaß?«
Er nahm eine abwehrende Haltung ein. »Deine Kritik kannst du dir sparen. Niemand hat mich zum Retter der Welt erkoren.«
Ich atmete tief durch, denn ich wollte nicht auch noch mit ihm einen Streit vom Zaun brechen. Mühevoll rang ich mir ein entschuldigendes Lächeln ab. »Tut mir leid. Du hast ja recht. Aber gib mir für alle Fälle deine Handynummer. Vielleicht brauche ich im nächsten Jahr deine Hilfe beim Schweben.«
»Ich werde ziemlich viel reisen«, sagte er ausweichend. »Ich kann dir nichts versprechen.«
Immer fester schloss sich meine Hand um den Pinsel, und ich bewahrte nur mit größter Mühe die Fassung. »Du lässt mich einfach so hängen. Darauf läuft es also hinaus. Nach allem, was wir in diesem Jahr zusammen durchgemacht haben, hakst du mich einfach ab? Mich und das Programm?«
»D., so ist es doch gar nicht.«
»Aber du willst mir nicht mal deine Handynummer geben«, sagte ich mit fester Stimme.
»Die wollen dich im Programm einsetzen«, sagte er. »Ich weiß nicht, inwieweit ich daran Anteil haben möchte.«
»Verstehe«, sagte ich. »Du läufst einfach davon. Dir gefällt nicht, was der Hohe Rat beschließt, also machst du dich mit deiner Begabung aus dem Staub.«
»So ist es: Ich habe keinen Bock, dass sie meine Gabe für ihre Zwecke missbrauchen.« Die klapprige Staffelei geriet ins Wanken, als er mit voller Wucht den Pinsel auf dem Blatt aufsetzte. »Ich habe Freunde in Europa, die ich schon lange einmal besuchen wollte. Das wird ein schönes Jahr.«
»Genau. Gute Reise und viel Spaß!« Ich schnappte mir meine Pinsel und trat an die Spüle, um die Farbe auszuwaschen. Rote, blaue und violette Streifen rannen durchs silberne Spülbecken und verschwanden im Abfluss.
Barrett legte mir die Hand auf die Schulter, doch ich drehte mich nicht um.
»Ich bin keine Kämpfernatur«, sagte er. »Du schon. Du bist stark genug, um allein zurechtzukommen, D. Mich brauchst du nicht mehr. Und ich hoffe, du gibst nicht auf. Ganz gleich, wo ich bin.«
Nach der Stunde stürzte ich die Treppen hinauf, ich hatte mich nicht dazu durchringen können, Barrett anzusehen oder ihn gar zum Abschied zu umarmen. Ich fühlte mich betrogen und war außerstande, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Für mich war es ganz selbstverständlich gewesen, dass Barrett immer für mich da sein würde, auch nach der Schule noch. Mit diesem Gedanken hatte ich mich getröstet, wenn ich ans nächste Schuljahr dachte. Nun war auch noch diese Hoffnung dahin.
Im Flur lief ich an Esther vorbei, die gerade mit einem aus der Elften flirtete und nicht mal grüßte. Kurze Zeit später hatte sie mich eingeholt.
»Ignorier mich nur«, sagte sie und zog eine Puderdose hervor, um sich beim Laufen in dem winzigen Spiegel zu begutachten.
»Wer war denn der Typ gerade eben, Esther? Ich dachte, du bist mit David zusammen.«
»Das ist Alex. Ist er nicht süß? Hat mich eben im Flur angesprochen. Meinte, er beobachte mich schon die ganze Woche.« Sie presste die Lippen aufeinander. »Und das mit David ist nichts Ernstes. Wir hängen nur zusammen ab.«
Ich konnte nur den Kopf schütteln. »Wenn du das sagst.«
»David ist nur ein Kumpel«,
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