Night School 02 - Der den Zweifel saet
verspreche dir, du schaffst das.«
Er führte sie auf eine nahe gelegene Lichtung, wo ausreichend Kiefernnadeln auf dem Boden lagen, um eine federnde Matte abzugeben.
Nachdem er ein paar Steine und herabgefallene Äste aus dem Weg geräumt hatte, wandte er sich zu ihr.
»So, und jetzt stell dich so hin, als ob du mich angreifen würdest«, sagte er.
Allie ging in den Hockstand und versuchte, entschlossen dreinzusehen – die Arme seitlich abgewinkelt, die Hände zu Fäusten geballt. Sylvains Augen blitzen amüsiert, und er hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken.
»Okay, so wird das nichts. Du bist doch eine Läuferin – das heißt, deine Kraft liegt in den Beinen. Also stell dich mal grade hin.«
Er nahm sich ein paar Minuten Zeit, ihr zu erklären, was die richtige Körperhaltung war: Beine gerade, aber in den Knien leicht nachgeben, Arme locker an der Seite, Füße schulterbreit auseinander. Trotzdem, irgendetwas stimmte immer noch nicht.
»Dreh mal die Füße so«, sagte Sylvain und machte es vor. Als Allie versuchte, es ihm nachzumachen, schüttelte er den Kopf. »Nein, so ist es nicht ganz richtig.«
Er ging neben ihr in die Hocke und griff nach ihrem Bein. Seine Nähe machte Allie nervös, und sie hatte einen Kloß im Hals.
Obwohl Sylvain das unmöglich gemerkt haben konnte, hielt er in seiner Bewegung inne. Mit ausgestreckten Armen sah er zu ihr hoch, seine blauen Augen glitzerten im Mondlicht.
»Darf ich?«, fragte er.
Allies Magen verkrampfte sich.
»Ja«, sagte sie mit brüchiger Stimme. Sie räusperte sich und sah zu, wie er vorsichtig ihren Knöchel in die Hand nahm und ihren Fuß neu ausrichtete. Sie spürte die Wärme seiner Hände auf ihrer Haut.
Falls er ihre Nervosität bemerkte, verriet er es nicht. Als sie in Position gegangen war, zeigte er ihr, wie sie ihn packen sollte. Wieder fragte er, bevor er sie anfasste. Diesmal freilich kam ihr »Ja« etwas entschlossener.
Er presste seinen Körper leicht gegen ihren, legte eine ihrer Hände auf seine Schulter, die andere auf seinen Ellbogen und brachte behutsam ihre Finger in Position. Sie stand stocksteif da, seine sanfte Berührung verursachte ihr überall Gänsehaut.
Ich versuche, ihn mit Gewalt zu Boden zu werfen. Dagegen kann Carter doch schwerlich was haben, oder?
Sylvain trat einen Schritt zurück und machte ihr vor, wie sie das Gewicht verlagern sollte, wenn sie die Bewegung ausführte. Nachdem sie das ein paarmal geübt hatte, beschlossen sie, es einmal ernsthaft zu versuchen.
»Okay, also … Ich renn jetzt auf dich zu«, sagte er. »Mach einfach genau das, was du gerade geübt hast, dann wird das perfekt hinhauen.«
»Ich bin bereit«, sagte sie. Ihre Zuversicht war etwas aufgesetzt.
Ich werd’s vermasseln. Ich werd’s vermasseln. Ich werd’s …
Sylvain lief auf sie zu, und ihre Gedanken hörten auf, sich im Kreis zu drehen. Sie packte ihn am Arm und verlagerte ihr Gewicht, so, wie er es ihr beigebracht hatte.
Er landete auf dem Rücken, zu ihren Füßen.
Sie ließ einen kleinen Freudenschrei los und wartete darauf, dass er sie über den grünen Klee lobte. Aber er sagte nichts. Genauer gesagt: Er bewegte sich nicht. Mit geschlossenen Augen lag er reglos da.
»Sylvain?« In einem Anfall von Panik ging sie neben ihm in die Knie. Sie konnte nicht erkennen, ob er noch atmete. »Sylvain? Alles okay? Hab ich dich jetzt umgebracht, oder was?«
Dann bemerkte sie, dass er sich vor Lachen kaum halten konnte. Unvermittelt öffnete er seine blauen Augen. »Wusst ich’s doch, dass du das kannst«, sagte er und sprang auf.
Allie schnappte nach Luft. »Mach das nicht noch mal!«
Doch Sylvains Lachen war ansteckend, und so sprang sie ebenfalls auf und rief: »Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft!« Sie entfernte sich tanzend von der Lichtung und warf sich in Siegerpose, indem sie wie ein Bodybuilder ihre Hände über dem Kopf verschränkte.
Bis sie abrupt vor Sylvain stehen blieb. »Warte mal, Sylvain. Hast du mich da gerade verarscht? Also, so
richtig verarscht?
Oder hab ich das bloß geträumt?«
»Wovon redest du?« Er tat überrascht. »Ich hab einen sehr guten Sinn für Humor.«
»Ah ja.« Allie hob zweifelnd eine Braue.
»Okay – und jetzt mal ganz im Ernst.« Er griff nach ihrer Hand und führte sie zurück auf die Lichtung. Sie fühlte sich überrumpelt von der plötzlichen Berührung, zuckte aber nicht zurück. »Das hast du gut gemacht. Ein paar Sachen würde ich noch etwas anders angehen, aber das war
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