Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
Hornochse um sich schlagen, Freunde beleidigen und Passanten erschrecken. Doch all die Geschehnisse der vergangenen Wochen drängten ihn immerfort in eine Richtung, in die er nicht wollte, sie aber trotzdem mit Riesenschritten nahm. Er biss die Zähne zusammen und knurrte, jedoch stachelte ihn das noch weiter an. Die Energie musste sich entladen, kein Bürokratenscheiß oder Ehrenmist hielt ihn auf. Diesen Pfad hatte er vor zwei Jahrhunderten verlassen. Und was hatte es ihm eingebracht?
Hundert Jahre Beherrschung.
Hundert Jahre verkrüppelnde Einsamkeit.
Hundert Jahre Verzicht.
Hundert Jahre Unterdrückung der Gefühle.
Und mit Diandros Tod erhielt er als Mörder Verantwortung, als Oberhaupt Macht, als Reinblüter eine Legende und als seelisches Wrack die Gabe, Emotionen anderer zu fühlen, allen voran Ciras.
Sein Brüllen ließ die Fensterscheiben der Seitenstraße splittern, die Straßenlampen erloschen – trotz Schwäche eine Urgewalt.
„Gut, somit steht dem nichts mehr im Wege, dass Sie in drei Tagen mit dem Training beginnen. Ich freue mich, Sie wieder an Bord zu haben, Ms. Anderson.“ Der Mann klappte einen Aktendeckel zu und erhob sich, dass der Drehstuhl unter ihm aufseufzte.
Cira schlug das Bein zurück, stand auf, reichte dem rundlichen Manager ihre Hand, die sie mit der Unterseite auf ihre Stoffhose gelegt hatte, damit sie trocken blieb. „Ich danke Ihnen, Sir.“
Sie lächelte und öffnete die Tür. Der Siberian Husky trabte lässig an ihr vorüber und wartete mit aufmerksamem Blick auf dem Flur. Sie bückte sich und streichelte ihn. „Super gemacht, Fire.“ Er war ein Goldstück. Seit vier Tagen begleitete er sie von einem Termin zum anderen, ging mit ihr auf den furchtbar engen Balkon, fuhr Fahrstuhl, saß ohne einen Mucks von sich zu geben reglos in fremden Büros, wärmte des Nachts ihre Füße oder joggte mit ihr durch den Park. Nur in Ausnahmefällen, in denen ein paar hartnäckige Leute ihr mit der Polizei drohten, falls sie den Köter mit in das Behandlungszimmer oder in den Supermarkt nahm, befahl sie ihm, draußen Platz zu machen. Sie würde sich einsam fühlen, wenn Amy mehr Zeit hatte und ihn zurückforderte. Sie schüttelte den Kopf und strebte mit ihrem Schatten auf den Ausgang des Komplexes zu. In 72 Stunden begannen das Vorbereitungstraining und zahlreiche Tests, um tunlichst bald ihren stressig-schönen Job wiederzuerhalten. Da gab es keinen Freiraum für einen Hund.
Auf dem Gehsteig atmete Cira tief ein und lächelte der Sonne entgegen. Sie kraulte das weiche Kopffell. „Weißt du was, wir genießen die Tage. Wie wäre es, wenn wir nach Hause joggen, anstatt uns in die Muni Metro zu zwängen?“ Sie lachte, als Fire ihr die Pfote reichte. „Na, dann komm.“
Sie liefen los, sie grinsend, Fire zufrieden springend. Die Therapie über sich ergehen zu lassen, fiel ihr leichter, als sie vermutet hatte. Die Ärzte hatten weder ein Trauma noch Verletzungen innerlich wie äußerlich festgestellt.
Im Park warf sie für Fire Stöckchen, genoss es, ein paar Yards zu gehen, derart viel Sport war sie nicht mehr gewohnt, obwohl sie regelmäßig Aerobic trieb. Sie nahm Fire den Ast aus dem Maul und warf ihn weit zwischen den Bäumen hindurch auf eine Wiese. „Hol!“
Fire blieb stehen. Er schien etwas zu wittern, sein Rückenfell sah aus wie elektrisiert. Sie sah sich verängstigt um, während sie eine Hand in die Innentasche des Blousons schob und die Pistole umklammerte. Sie zitterte wie unter Strom, als sie das kühle Metall berührte.
Eine alte Dame fuhr schlingernd vorüber, die sie zwar musterte, aber offenkundig, weil Cira sie anstarrte. Erleichtert löste sie die verkrampften Finger in der Jacke. War sie bei Trost? Sie hatte nicht wirklich vorgehabt, das Ding zu ziehen, oder? „Ist gut, Fire. Da ist nichts.“ Sie tätschelte ihm die Seite. Seine Muskeln spannten sich bis zum äußersten, er glühte vor Aggressivität. Leise auf ihn einredend zog sie ihn am Halsband, doch er rührte sich erst, als der Drahtesel hinter einer Biegung verschwand.
Sie joggte ohne Umwege nach Hause. „Du magst keine Fahrräder, oder?“, schnaufte sie im Fahrstuhl, ging in die Hocke und knuddelte den Hund, der entspannt wirkte wie immer.
Fire hörte das Geräusch aus ihrer Wohnung vor ihr und beim hastigen Aufschließen fragte sie sich, woher er wusste, dass ihr Telefon so energisch klingelte. „Ja?“
Stille, ein tiefes Durchatmen, ein deftiger Fluch.
„Amy?“ Cira vernahm ein
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