Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
Rauschen, Quietschen, das Brummen eines Automotors. „Hallo?“
„Ja, ich bin dran. Moment!“ Amys Stimme entfernte sich vom Handy. „Du blödes Arschgesicht, hast du keine Augen im Kopf? Wärst mir fast reingebrettert! Ja, du mich auch! Cira?“
Cira grinste und sie rief durch eine Handbewegung Fire her. „Dein Stress lässt nicht nach, was?“
„Oh, entschuldige. Männer! Können nicht Auto fahren. Ähm, gut, dass du da bist. Dachte, etwas wäre nicht in Ordnung, dein Termin ist lange vorbei.“
Cira hob die Brauen. So besorgt kannte sie Amy nicht. „Danke, mir geht’s ausgezeichnet. Warum rufst du nicht auf dem Handy an?“ Während sie das fragte, dämmerte es ihr. Amys Kontrollwahn uferte langsam aus.
„Ist Fire bei dir?“
Sie hob den Zeigefinger und Fire gab Laut in den Telefonhörer. „Wir sind beide gut drauf und vermissen dich.“
„Gut, gut.“
Das klang abwesend. Aber Amy fuhr mit Sicherheit wie eine Irre zu einem Termin oder Ereignis, um Schlagzeilen zu produzieren. „Wir haben was zu feiern,“ versuchte sie es erneut.
„Heute ausgehen? Klasse! Ich hol dich um neun ab. Wirf dich in Schale.“
Cira erhob Protest, doch die Leitung war bereits tot. Verdutzt drückte sie den Ausknopf und legte das Telefon beiseite. Meine Güte, gab sie sich auch so, wenn sie unter Stress stand? Nein, sie war ein anderer Typ, wurde noch ruhiger, hoch konzentriert und zog eine ernste Miene, wie ihre Kollegen erzählten. Amy hatte nicht einmal nachgefragt, warum sie gut drauf war, obwohl man normalerweise vor ihren Fragen wie vor den Geschossen einer Schneeballkanone in keiner Weise imstande war, auszuweichen.
Weggehen, chic anziehen … weshalb eigentlich nicht? So, wie Amy momentan in Hektik schien, hatte sie unmöglich wie sonst Zeit finden können, einem Arbeitskollegen oder Kumpel einen Gefallen aus dem Kreuz zu leiern, um sich um sie zu bemühen. Ein stressfreier Frauenabend. Sie sah Fire in die hellblauen Augen. Er saß vor ihr, wedelte mit der Rute, als würde er betteln, mitkommen zu dürfen. Cira gab der offen stehenden Eingangstür einen Schubs, ließ sie ins Schloss krachen, hörte den Widerhall im Treppenhaus und kicherte unterdrückt, obwohl Fire kurz knurrte. „Ups, entschuldige. Komm, wir gehen duschen.“
Im Badezimmer drehte sie einem Impuls folgend am Radioknopf, blieb bei etwas Poppigen hängen und zog sich rasch aus. Dabei rutschte die Pistole aus der Innentasche und fiel krachend auf die Fliesen. Fire bellte und sie schrie auf. Sie ging in die Hocke, hob die Knarre auf und strich mit dem Finger über den Sprung im Steingut. „Blöder Mist!“ Alles nur wegen dieses Dings. Sie besah es sich, als hätte das Metall die Pest und stopfte es hinter die gefalteten Badetücher. Die letzte Waffe hatte sie vor zweiundzwanzig Jahren in den Händen gehalten und es hatte auch nichts genützt. Warum Cira sie sich zugelegt hatte, blieb ihr ein Rätsel. Bevor sie das Schießeisen nochmals herausholte, sollte sie ein Training absolvieren, oder sich von Feuerwaffen fernhalten.
Fires Augen folgten jedem ihrer Handgriffe. Sie platzierte ein großes Handtuch auf dem Boden und er streckte sich darauf aus, legte den Kopf auf die Vorderpfoten, ohne den Blick abzuwenden. Sie lächelte ihn liebevoll an und streichelte ihn. „Einen Mann wie dich gibt es auf der ganzen Welt nicht.“
Und da erschien er wieder, Jonas Baker, in ihren Gedanken, als nutzte er sämtliche ihrer schwachen Phasen aus, um sich in ihr Gehirn zu schleichen. Diesmal tangierte es sie nicht. „Ich hatte genügend, ich brauche keinen und“, sie strahlte Fire aus der Wanne an, „ich hab schon einen.“
Jonas schlang sich das Handtuch um die Hüften, stützte sich mit den Ballen auf das Waschbecken, während er abschätzig das Spiegelbild betrachtete. „Du siehst scheiße aus.“ Seine ohnehin dunkle Stimme klang noch eine Oktave tiefer. Mit den Fingern fuhr er sich durch das nasse Haar, das ihm gleich zurück über die Brauen fiel, dann boxte er sich auf den Bauch und spannte die Muskeln an. Die Wunden der Handgranate waren längst verheilt und das harte Training der vergangenen Stunden hätte ihn auspowern und entspannen sollen, doch das Gegenteil war der Fall. Der Hunger wuchs mit jeder Minute, die Haut nahm einen gräulichen Schimmer an – gut so!
Nein, verdammt, nicht gut! In einsamen Wäldern konnte er es riskieren, sich auszuhungern, seine Beherrschung alle Tage erneut auf die Probe stellen, aber jetzt lebte er in der
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