Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
knurrend auf Jonas zu.
„Hey, mal halblang, Bruder.“
„Du hältst dich von ihr fern!“ Er drohte ihm mit der Faust, Speichel tropfte ihm von den Reißzähnen. Gleichgültig.
„Verdammt, hör doch erstm…“
Alexanders Schwinger traf Jonas’ Gesicht knallhart und unvorbereitet, da er die Hände nicht gehoben hatte. Ihm war es egal. Er wusste, dass sein Bruder dem Dreck glich, mit dem er sich seit seiner Wandlung vor 200 Jahren umgab, wusste, dass er in einem Kampf gegen Jonas unterlegen sein würde. Schnurzpiepegal! Er wollte ihn tot sehen. „Raus hier!“
Jonas wischte sich über die Lippen und starrte mit geschlitzten Pupillen erst auf das Blut, dann auf ihn. „Fuck you.“ Die Bürotür knallte heftig ins Schloss, die Fensterscheiben vibrierten.
Alexander hastete vor sich hin fluchend durch das Büro und versuchte, an den Wänden den Frust rauszulassen, doch außer Dellen in den Mauern und einem zerstörten Bild bewirkte er merklich wenig. Immer, immer trat er als der Ruhige, der Besonnene und Zurückhaltende auf. Und was hatte es ihm gebracht? „Was zur Hölle hat es mir eingebracht?“, rief er, den Kopf in den Nacken gebogen und sackte mit geballten Fäusten auf die Knie. Er hämmerte sich die Hände vor die Augen, die meinten, tränen zu wollen. Warum tauchte Jonas nach all den Jahren wieder auf? Ohne ihn hatte er es geschafft, sich unter Kontrolle zu halten, nicht an Alisha zu denken. Jetzt stürzten wegen des Wichsers alle mühsam errichteten Wälle ein, einer nach dem anderen. Er hätte ihm gleich nach der Beerdigung die Tür weisen müssen und wusste gleichzeitig, dass er nicht die Befugnis gehabt hätte.
Alexander stand vom Boden auf, holte sich eine Ampulle aus dem Kühlschrank und sank in den Sessel. Gedankenverloren schwenkte er das Blut in dem dünnen Röhrchen hin und her, das die Diener frisch für ihn zapften, damit er nicht jeden dritten Tag rausmusste, um sich ein Opfer zu suchen. Er hatte schwer gearbeitet, um sein Versäumnis, seine Schuld zu sühnen, um zu vergessen. Mit seiner Mutter hatten sie auf der Basis ihres Speichels in einem ihrer Labors ein Medikament für die Menschen entwickeln lassen, das Leben retten konnte, wenn es auf den Markt kam, da es Wunden in doppelter Geschwindigkeit heilen ließ. Er sollte stolz auf sich sein, war es aber nicht. In ihm brodelte der Hass auf seinen Bruder, der ihm sein Dasein geraubt hatte und es jetzt wieder tat. Wie oft wollte Jonas ihm noch das Herz hinausreißen?
Alexander stürzte die warm gewordene Flüssigkeit hinunter, verzog angewidert das Gesicht und atmete tief ein. Was war das? Seine Sinne verschärften sich, sein Kiefer begann, zu schmerzen. Verdammt, der liebliche Duft von Josephine hing im Raum, als stände sie hinter ihm. Wie von einem magischen Blitz getroffen, sprang er auf und sah endlich das, was auf dem Schreibtisch unter dem Dossier lag. Mit vor Wut und Angst zitternden Fingern zog er den seidigen Chiffon hervor und drückte ihn sich vor die Nase. Ein Schluchzen entrang sich seiner Kehle – dieser altrosa Schal gehörte Josephine. Alexander sah rot. Innerhalb einer Minute rannte er aufgeheizt wie die geschürte Hölle in Jonas’ Büro, leer. Wo versteckte er sich? Er schickte den familiären Instinkt auf die Reise und registrierte ihn sofort.
Brüllend riss er die Tür zur Trainingshalle auf und fand Jonas schwingend am Reck. Er knallte die Tür zu, griff im Lauf einen Bô, holte aus und drosch den langen Kampfstock auf die Finger an der Stange, während Jonas gerade im Schwung übersetzte. Der Körper wirbelte unkontrolliert durch die Luft, der Kopf schlug hart auf die Reckstange und Jonas schaffte es soeben, sich rückwärts abzurollen, um nicht mit dem Hinterkopf auf dem Turnhallenboden aufzuschlagen.
Alexander warf den Bôjutsu-Stab fort und kauerte über seinem Bruder, als dieser sich benommen orientierte. Er hievte die 30-Kilo-Hantel hoch und donnerte sie Jonas brüllend ins Gesicht. Dann packte er das Gewicht mit beiden Händen und legte es auf Jonas’ Hals, quetschte es mit dem ganzen Körpergewicht, der ganzen Kraft hinunter. Jonas keuchte erstickt, aber er verteidigte sich nicht. „Wehr dich!“, fauchte Alexander, „wehr dich, Mörder!“
Jonas’ Arme blieben ausgestreckt auf dem Linoleum liegen, als hätte er keine Energie, sie zu heben. Doch Alex wusste es besser. Jonas’ Wille war stark und unbeugsam, seine Lebensweise in der absoluten Abgeschiedenheit und die Abstecher zum brutalen Gesindel
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