Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
zweimal. »Niemand. Niemand war an der Tür.« Beinahe träumerisch fügte er hinzu: »Ich frage mich, ob Wölfe eine Türklingel betätigen können?«
»Was?«
Paul drehte sich um, um ihr direkt in die Augen zu sehen.
»Ist dir jemals der Gedanke gekommen«, stieß er hervor, »dass du möglicherweise doch nicht paranoid bist? Ich meine, dass es tatsächlich etwas Unheimliches auf dich abgesehen hat?«
»Sehr witzig«, flüsterte Hannah.
»Ich meine …« Paul deutete halb lachend durch den Raum. Er wirkte vollkommen durcheinander. »Ich meine, du hast vorhergesehen, dass etwas geschehen würde – und es ist etwas geschehen.« Er hörte auf zu lachen und sah sie nachdenklich an. »Du hast es wirklich gewusst, nicht wahr?«
Hannah funkelte den Mann an, der ihr angeblich helfen wollte, ihren Verstand zu retten. »Sind Sie verrückt?«
Paul blinzelte. Er wirkte schockiert und verlegen, dann wandte er den Blick ab und schüttelte den Kopf. »Gott, ich weiß es nicht. Tut mir leid, das war nicht sehr professionell, nicht wahr? Aber …« Er schaute aus dem Fenster. »Nun, einen Moment lang schien es einfach möglich zu sein, dass du in deinem Gehirn irgendeine Art von Geheimnis birgst. Etwas … Außergewöhnliches.«
Hannah sagte nichts. Sie versuchte, zu viele Dinge gleichzeitig zu vergessen: den neuen Teil von ihr, der ihr Strategien zuflüsterte, die Wölfe mit Menschenaugen, den silbernen Bilderrahmen. Sie hatte keine Ahnung, was all diese Dinge zusammengenommen bedeuteten, und sie
wollte es auch gar nicht wissen. Sie wollte sie nur loswerden und in die sichere, gewöhnliche Welt ihrer Highschool zurückkehren.
Paul räusperte sich und schaute weiter aus dem Fenster. Seine Stimme klang unsicher und beinah entschuldigend. »Es kann natürlich nicht wahr sein. Es muss eine vernünftige Erklärung dafür geben. Aber – nun, wenn es wahr sein sollte, denke ich, wird es Zeit, dass irgendjemand dieses Geheimnis enträtselt. Bevor etwas Schlimmeres geschieht.«
KAPITEL DREI
Wie ein Delfin unter Wasser schoss die elegante weiße Limousine durch die Nacht und brachte Thierry Descouedres vom Flughafen weg. Er war auf dem Weg zu seinem Herrenhaus in Las Vegas – weiße Mauern und Palmen, blaue Springbrunnen und geflieste Terrassen. Räume voller Kunstwerke und Möbel, die einem Museum Ehre gemacht hätten. Alles, was man sich nur wünschen konnte. Er schloss die Augen, lehnte sich in den dunkelrot bezogenen Sitz zurück und wünschte, er wäre irgendwo anders.
»Wie war Hawaii, Sir?«, kam die Stimme des Chauffeurs vom Fahrersitz. Thierry öffnete die Augen. Nielsson war ein guter Fahrer. Er schien etwa in Thierrys Alter zu sein, um die 19, mit adrettem Pferdeschwanz, dunkler Sonnenbrille, obwohl es Nacht war, und einem diskreten Gesichtsausdruck.
»Nass, Nielsson«, antwortete Thierry leise. Er schaute aus dem Fenster. »Hawaii war sehr … nass.«
»Aber Sie haben nicht gefunden, wonach Sie gesucht haben.«
»Nein. Ich habe nicht gefunden, wonach ich gesucht habe … mal wieder nicht.«
»Das tut mir leid, Sir.«
»Danke, Nielsson.« Thierry versuchte, an seinem eigenen Spiegelbild im Fenster vorbeizuschauen. Es war beunruhigend, diesen jungen Mann mit dem weißblonden Haar und den uralten Augen in der dunklen Scheibe zu sehen. Er hatte einen so nachdenklichen Gesichtsausdruck … So verloren und so traurig.
Wie jemand, der immer auf der Suche nach etwas ist, das er nicht finden kann, dachte Thierry.
Entschlossen wandte er sich vom Fenster ab.
»Ist alles gut gelaufen, während ich fort war?«, fragte er und griff nach seinem Handy. Arbeit. Arbeit half immer.
Sie gab einem zu tun, lenkte einen ab, lenkte einen im Wesentlichen von sich selbst ab.
»Alles bestens, denke ich, Sir. Mister James und Miss Poppy sind wieder da.«
»Das ist gut. Sie müssen bei der nächsten Versammlung des Zirkels der Morgendämmerung unbedingt dabei sein.«Thierrys Finger schwebte über der Tastatur des Handys, während er darüber nachdachte, wen er anrufen sollte. Wer ihn am dringendsten sprechen musste.
Noch bevor er eine Taste berühren konnte, summte das Telefon.
Thierry nahm das Gespräch an. »Thierry.«
»Sir? Ich bin’s, Lupe. Können Sie mich verstehen?« Die Stimme wurde von statischem Rauschen überlagert,
aber so fern sie auch war, konnte Thierry doch hören, dass der Anrufer schwach klang.
»Lupe? Ist alles in Ordnung?«
»Ich bin in einen Kampf geraten, Sir. Ich bin ein wenig mitgenommen.«
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