Night World - Retter der Nacht
»Na gut«, sagte er schließlich.
Poppy selbst hatte keine Lust, zu lange darüber nachzugrübeln. »Finde dich damit ab, Phil.« Ihr Tonfall war hart. »Da musst du jetzt durch. Denk einfach immer daran, wenn nicht jetzt, dann geschieht es in ein paar Wochen - aber dann unwiderruflich.«
Er umklammerte einen der Bettpfosten so stark, dass seine Knöchel weiß wurden. Aber er hatte kapiert, und es gab niemanden, der sich besser zusammenreißen konnte als Phil. »Du hast recht. Okay, ich werde damit fertig.«
»Dann fangen wir an.« Poppys Stimme war so ruhig, als ob ihr das alles nichts ausmachen würde.
»Du willst diesen Teil sicher nicht mit ansehen. Geh
am besten raus und setz dich vor den Fernseher«, schlug James Phil vor.
Phil zögerte. Dann ging er aus dem Zimmer.
»Noch eines.« Poppy versuchte, ganz sachlich zu klingen, während sie auf die Mitte des Bettes rutschte. »Nach der Beerdigung - also, dann werde ich doch schlafen? Ich werde nicht in meinem kleinen, netten Sarg aufwachen, oder?« Sie sah ihn an. »Ich habe nämlich Platzangst, musst du wissen.«
»Du wirst nicht zu früh aufwachen. Ich werde nicht zulassen, dass dir so etwas passiert. Vertraue mir. Ich habe an alles gedacht.«
Sie nickte. Ich vertraue dir, dachte sie. Dann streckte sie die Arme nach ihm aus.
Er berührte ihren Hals und sie hob das Kinn. Während er ihr Blut trank, spürte sie, wie gleichzeitig ihr Geist in seinen gezogen wurde.
Mach dir keine Sorgen, Poppy. Hab keine Angst. Aus all seinen Gedanken las sie, wie sehr er bemüht war, sie zu beschützen. Obwohl das nur bestätigte, dass es doch Grund gab, sich Sorgen zu machen, und dass die Sache schiefgehen konnte, war Poppy völlig friedlich. Seine Liebe beruhigte sie und erfüllte sie mit Licht.
Und plötzlich fühlte sie sich frei.
Mir wird auf einmal so schwindlig, dachte sie, und ihr Körper wurde in seinen Armen schwach wie eine welkende Blume.
Ich habe genug getrunken, sagte James auf telepathischem Weg. Der warme Mund zog sich von ihrem Hals zurück. »Jetzt bist du an der Reihe.«
Diesmal schnitt er sich nicht ins Handgelenk. Er zog sein Hemd aus und fuhr mit dem Fingernagel an seinem Halsansatz entlang.
Oh, dachte Poppy. Langsam, fast andächtig lehnte sie sich vor. James stützte mit seiner Hand ihren Hinterkopf. Poppy legte ihre Arme um ihn und fühlte seine nackte Haut nur durch den Stoff ihres Nachthemds von ihrer getrennt.
So war es noch besser. Aber wenn James recht hatte, dann war es das letzte Mal. Sie und James durften nie wieder Blut austauschen.
Das kann ich nicht akzeptieren, dachte Poppy, aber sie konnte sich nicht lange auf diesen Gedanken konzentrieren. Statt ihren Verstand zu klären, verwirrte das wilde, süchtig machende Vampirblut sie nur noch mehr. Sie fühlte sich warm und schläfrig.
James …
Es ist alles in Ordnung. Die Umwandlung beginnt bereits.
So schwer - so müde - so voller Wärme … Sie konnte sich fast bildlich vorstellen, wie das Vampirblut durch ihre Adern strömte und alles eroberte, was ihm in seinem Weg stand. Es war uraltes Blut, und es verwandelte sie in ein Wesen, das es schon von Anbeginn der Zeit gegeben hatte.
Jede Zelle in ihrem Körper veränderte sich …
Poppy? Kannst du mich hören? James schüttelte sie leicht. Sie ging so sehr in all den neuen Gefühlen auf, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie nicht mehr trank. James wiegte sie in seinen Armen.
»Poppy.«
Es kostete Mühe, die Augen zu öffnen. »Mir geht es gut. Ich bin nur so müde …«
Er umarmte sie fester. Dann legte er sie sanft auf den Kissenberg. »Du kannst dich jetzt ausruhen. Ich hole Phil.«
Aber bevor er ging, küsste er sie auf die Stirn.
Mein erster Kuss, dachte sie, während sie wieder die Augen schloss. Und ich liege halb im Koma. Super.
Sie fühlte, wie das Bett unter einem Gewicht nachgab, sah auf und entdeckte Phil. Er wirkte sehr nervös und starrte sie an. »Was passiert jetzt?«, wollte er wissen.
»Das Vampirblut übernimmt ihren Körper«, sagte James.
»Ich bin wirklich sehr, sehr müde …« Poppy gähnte.
Sie hatte keine Schmerzen, nur den Wunsch wegzugleiten. Ihr Körper fühlte sich warm und taub an, als wäre er von einer dicken, weichen Substanz umgeben.
»Phil? Ich habe vergessen, dir zu danken. Dafür, dass du geholfen hast. Und für alles andere. Du bist ein guter Bruder.«
»Das brauchst du mir jetzt nicht zu sagen.« Sein Tonfall
klang gezwungen. »Sag es später. Ich werde dann nämlich immer
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