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Night World - Retter der Nacht

Titel: Night World - Retter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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man jagt?
    Er nickte kaum merkbar. Das Haar fiel ihm in die Stirn, und er sah trotz des Drecks einfach anbetungswürdig aus. Poppy kam es so vor, als hätte sie ihn noch nie zuvor richtig gesehen, weil sie ihn jetzt mit ihren
neuen Sinnen wahrnahm. James, das waren nicht nur seidig braune Haare und magnetische graue Augen. Es war auch der Geruch von Winterregen, das Herz eines Raubtiers und die silberne Aura der Macht, die sie um ihn herum spürte. Sein Verstand war glasklar und hart, aber gleichzeitig auch sanft und fast ein wenig wehmütig.
    Wir sind jetzt Jagdgefährten, teilte sie ihm eifrig mit, und er lächelte ihr zu. Aber sie merkte, dass er sich Sorgen machte. Er war entweder traurig oder besorgt über etwas, das er vor ihr verbarg.
    Sie konnte nicht mehr darüber nachdenken. Plötzlich war sie nicht mehr hungrig, sondern fühlte sich sehr seltsam. Als ob sie nicht genug Luft bekäme.
    James und Phillip schüttelten die Planen aus und rollten die Rasenstücke wieder über das Grab. Ihr Grab. Komisch, sie hatte bis jetzt noch gar nicht daran gedacht. Sie hatte in diesem Grab gelegen und sollte eigentlich angewidert oder verängstigt sein.
    Aber sie war es nicht. Seit dem Moment, an dem sie in ihrem Zimmer eingeschlafen war, konnte sie sich an nichts mehr erinnern - bis James sie geweckt hatte.
    Außer an einen seltsamen Traum …
    »Okay.« James faltete eine Plane zusammen. »Wir können gehen. Wie fühlst du dich?«
    »Hmmm - etwas seltsam. Ich kann nicht tief Luft holen.«

    »Ich auch nicht.« Phil keuchte schwer und wischte sich mit der Hand über die Stirn. »Ich hab gar nicht gewusst, dass es so eine harte Arbeit ist, ein Grab zu schaufeln.«
    James musterte Poppy prüfend. »Schaffst du es bis zu meiner Wohnung?«
    »Ich glaube schon.« Poppy wusste nicht, wovon er sprach. Wieso, es schaffen? Und warum würde es helfen, wieder atmen zu können, wenn sie in seiner Wohnung war?
    »In meinem Wohngebäude gibt es ein paar Spender, von denen keine Gefahr ausgeht«, erklärte James. »Ich möchte nämlich nicht, dass du auf der Straße herumstreifst, und ich glaube, du wirst es bis zu mir nach Hause schaffen.«
    Poppy fragte nicht, was er mit alldem meinte. Sie hatte Schwierigkeiten, klar zu denken.
    James wollte, dass sie sich auf dem Rücksitz des Autos versteckte. Poppy weigerte sich. Sie musste aufrecht sitzen und die frische Nachtluft in ihrem Gesicht spüren.
    »Gut«, sagte James schließlich. »Aber verbirg dein Gesicht wenigstens hinter deinem Arm. Ich fahre über Nebenstraßen. Man darf dich nicht sehen, Poppy.«
    Die Straßen schienen menschenleer zu sein. Die Nachtluft auf ihren Wangen war kühl und erfrischend, aber sie half ihr nicht beim Atmen. Egal, wie sehr sie sich bemühte, sie konnte nicht mehr richtig Luft holen.

    Sie rang heftig nach Sauerstoff. Ihr Herz raste, ihre Lippen und ihre Zunge waren ganz trocken und sie hatte das Gefühl zu ersticken.
    Was geschieht mit mir?, dachte sie erschrocken.
    Dann begannen die Schmerzen.
    Qualvolle Krämpfe durchzuckten ihre Muskeln. Ihr fiel etwas ein, das ihr Sportlehrer ihr einmal erklärt hatte. »Die Krämpfe entstehen, wenn nicht mehr genug Blut durch deine Muskeln fließt. Ein Muskelkater ist im Grunde nichts anderes als ein Muskelpaket, das dabei ist zu verhungern.« Und es tat so weh, so weh. Sie hatte jetzt nicht einmal mehr die Kraft, James zu Hilfe zu rufen. Sie klammerte sich an den Türgriff, schnaufte und keuchte, aber es brachte alles nichts.
    Jetzt hatte sie überall Krämpfe, und ihr war so schwindlig, dass Blitze vor ihren Augen zuckten.
    Sie lag im Sterben. Etwas war furchtbar schiefgegangen. Sie kam sich vor wie unter Wasser und versuchte verzweifelt, sich einen Weg an die Oberfläche hin zum Sauerstoff zu kämpfen. Nur, dass es keinen Sauerstoff gab.
    Und dann sah sie einen Weg.
    Oder besser, sie witterte ihn. Das Auto hielt an einer roten Ampel. Poppy hing inzwischen mit Kopf und Schultern weit aus dem Autofenster und plötzlich erhaschte sie den Geruch von Leben.
    Leben! Das war es, was sie brauchte. Sie dachte nicht
mehr nach, sondern handelte. Mit einer hastigen Bewegung öffnete sie die Autotür und sprang heraus.
    Sie hörte James’ telepathischen Schrei in ihrem Kopf und hinter sich hörte sie Phil laut schreien. Sie achtete nicht darauf. Für sie zählte nur noch eines, die Schmerzen sollten endlich aufhören.
    Instinktiv klammerte sie sich an den Mann auf dem Bürgersteig wie eine Ertrinkende an ihren Retter. Der Mann

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