Nightshifted
Tatsache, dass er sein Handy dabeigehabt und meinen Anruf angenommen hatte, während er gerade
high war oder zumindest versuchte, es zu werden, beeindruckend. In dem Wagen
hinter ihm verlangte der Fahrer lautstark sein Geld.
»Zehn fünfunddreiÃig!«
»Sissy?«, fragte Jake vorsichtig. Er stand jetzt
näher bei mir, als ich erwartet hatte â ich hatte wohl zu ausführlich auf die
plüschigen Würfel am Rückspiegel des Taxis gestarrt. »Sissy, was ist denn
passiert?«
»Zehn fünfunddreiÃig!«
Mit meiner unverletzten Hand gab ich ihm meine
Ersatzschlüssel und das verbliebene Bargeld. Hoffentlich war es genug, ich konnte
jetzt nicht mehr rechnen. »Pass auf meine Katze auf. Du kannst den Kühlschrank
leer futtern. Aber egal was du tust, lass Minnie nicht raus.«
Jake nickte. Nachdem ich noch einmal â oder viermal â
drüber nachgedacht hatte, gab ich ihm auch die kleine Videokamera. »Die kannst
du versetzen.«
Er nickte wieder, dann ging er zurück zu seinem Taxi.
Bevor er einstieg, drehte er sich noch einmal zu mir um und sah mich mit weit
aufgerissenen Augen an. »Sissy â was ist passiert?«
»Frag nicht«, erwiderte ich und drehte mich Richtung
Krankenhaus. Kurze Stille, dann hörte ich, wie hinter mir die Taxitür geöffnet
und lautstark zugezogen wurde.
Ich ging nicht durch die Tür der Notaufnahme, auch
wenn sie sich automatisch öffnete, als ich vorbeilief. Ich ging zum richtigen
Eingang des County, zu der Lobby, in der es abwechselnd nach Pisse oder
verdünnter Bleiche roch. Ich hielt den Wachen meinen Dienstausweis unter die
Nase und verschwand dann in den Tiefen des Krankenhauses, ging durch Flure und
über Treppen zu einem Aufzug, der tief in die Erde sank, ohne sich dabei
wahrnehmbar zu bewegen, bis ein kurzes Signal ertönte und er mich ausspuckte.
Die letzte Doppeltür öffnete sich in meine Richtung wie ausgestreckte Arme, die
mich willkommen hieÃen, wie einseitige Ventile, wie Flimmerhärchen, die Schleim
abtransportieren. Wie beeinträchtigte Wahrnehmung aufgrund von Schock und
Blutverlust, würde ich wetten. Taumelnd ging ich vorwärts.
Meaty entdeckte mich und zog überrascht eine
Augenbraue hoch, bis ich ihm/ihr meine zermalmte Hand entgegenstreckte.
»Zimmer drei. Sofort.«
Kapitel 7
Â
Als sie meine Hand
genäht und mich von der Schmerzmittelinfusion abgekapselt hatten, schob Meaty
einen verstellbaren Rollstuhl in mein Zimmer. In einer Welt, in der Zeit in der
Nachtschicht = Zeit zum essen = Körperumfang = Erfahrung bedeutete, konnte man
Meaty einfach nichts vormachen.
»Willst du mit mir darüber sprechen?«
Es war das erste Mal, dass mir jemand diese Frage
stellte, abgesehen von Charles, als er mich dazu bringen wollte, Besuch zu
empfangen. Bei dem Gedanken, Jake hier reinzulassen, war mir ganz anders geworden
â er wäre wie ein Kind im SüÃigkeitenladen, nur mit den Medikamenten anderer
Leute und ohne jede Aufsicht. AuÃerdem, wie hätte ich ihm das Heulen erklären
sollen?
Aber man überlebte nicht lange als Krankenschwester,
wenn man seine Stationsschwester abblitzen lieÃ. Ich fing also ganz vorne an
und beichtete alles bis zu dem Teil, der bereits bekannt war: ich, hier, mit
einer zerfleischten Hand. Die Narben auf meinem Handrücken spannten bereits â
vielen Dank an den plastischen Chirurgen â, und ich schnitt eine Grimasse,
während ich an ihnen rieb.
»Du warst unter Befehlszwang«, erklärte Meaty.
»Unter was?«
Meaty lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
»Befehlszwang. Vampire setzen das ein, um ihre Diener herumzukommandieren.«
Ich lieà mich noch tiefer in mein Bett sinken. »Es
hat sich aber gar nicht so angefühlt.« Eigentlich hatte es sich bloà so angefühlt
wie jede andere falsche Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen hatte.
Und darin hatte ich eine Menge Ãbung. Aber war sie denn so schlecht gewesen? Immerhin
hatte ich doch diese Anna gerettet, oder nicht?
Meaty beachtete mich gar nicht. »Die wenigsten
Tageslichtagenten können den Befehlszwang einsetzen, aber vielleicht stand er
ja direkt an der Schwelle.«
Ich schaute wieder auf meine Hand runter und dachte
daran, dass ich bald nach Hause gehen konnte, an das übervolle Katzenklo, das
sicher sauber gemacht werden musste, und daran, dass mein Heim jetzt bestimmt
nach Heroin und Pot
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