Nightshifted
Ausschnitt, so als wollte sie damit
auf meinen deuten. »AuÃerdem ist er ein kleiner Perversling. Die Hormone und
so. Sein Trachealtubus ist so angebracht, dass er flüsternd sprechen kann, und
er mag es, wenn man sich möglichst oft über ihn beugt. Ich würde vorschlagen,
Sie machen alles dicht.«
»Ha, ha. Danke.«
Sie schenkte mir ein warmes Lächeln und freute sich
offenbar darauf, jetzt nach Hause zu gehen. »Wünsche noch eine angenehme
Schicht.«
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Kapitel 12
Â
Die beiden
Kinderkrankenzimmer lagen nebeneinander wie die beiden Hälften einer Muschel.
Man konnte sie mit Vorhängen voneinander abschirmen, um Privatsphäre zu
schaffen, aber ich wusste genau, dass es die Stationsschwester nervös machen
würde, wenn ich diese Vorhänge zuzog.
Die Waschbecken, Monitore und Standardausrüstung
waren jeweils am Rand des Raumes aufgereiht: Beatmungsbeutel in KindergröÃe,
Absaugpumpe und die Sauerstoffpumpen, die gerade beide in Benutzung waren, bei
dem Baby mit der Nasenkanüle und bei Shawn mit seinem Luftröhrenschlauch.
Rechts das Bett, links das Babybettchen, und in der hinteren Ecke der beiden
Zimmer befanden sich zwei kleine Badezimmer für Gäste. An der Rückwand standen
auÃerdem zwei Sofas, auf denen Eltern die Nacht verbringen konnten, die jetzt
aber Gott sei Dank beide leer waren.
Zuerst sah ich mir das Baby genauer an. Trockene
Windel, nichts zu tun. Ihre schwarzen Haare standen steil vom Kopf ab wie bei
einer Trollpuppe, und sie schlief zufrieden. Daran würde ich bestimmt nichts
ändern.
Dann ging ich zu Shawn rüber und winkte ihm zu. Der
musterte mich mit der Art von Abfälligkeit, zu der nur ein Pubertierender in
der Lage ist. »Ich bin Edie, die Nachtschwester für heute.«
Seine Antwort bestand aus einem leisen Geräusch, das
ich wegen der immer lauter werdenden deutschen Worte nicht richtig hören
konnte. Also beugte ich mich über ihn. »Ach nee?«, verstand ich nun. Während er
mich weiter gelangweilt beobachtete, las ich seine Werte ab. »Brauchst du
irgendwas?«, fragte ich ihn, als ich fertig war.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Einen Blowjob?«
»Netter Versuch. Und das aus dem Mund, mit dem du
deine Mutter küsst.«
»Meine Mom ist tot. Selber Unfall.«
»Oh. Tut mir leid.«
Er rollte mit den Augen. »Na klar.«
Nachdem wir zu diesem etwas merkwürdigen
Waffenstillstand gelangt waren, kam ich mir blöd vor. »Na ja, ich bin da
drüben, falls du etwas brauchst.« Ich verschwand aus seinem Blickfeld und
kehrte zu meinen Akten zurück.
Zwischen den offenen Glasschiebetüren der beiden
Zimmer stand ein Schreibtisch mit einem Computer und ⦠einem Internetanschluss.
Ich sank in den Schreibtischstuhl und prüfte dann, ob
die Stationsschwester mich so sehen konnte ⦠solange ich mich nicht zu weit
zurücklehnte, nicht. Die Nacht wurde langsam besser! Zwei Patienten, die eigentlich
die ganze Zeit schlafen sollten, und ein Internetanschluss. War das nicht ein
Glückstreffer? Zumindest bis jemand eine frische Windel brauchte.
Ich klickte mich durch das Netz, wobei ich mit den
Lokalnachrichten anfing, um einiges wieder aufzuholen, was ich während meiner
Zwangspause verpasst hatte. Die Mordrate schien nicht angestiegen zu sein und
falls die Zahl der vermissten Katzen sich rapide erhöht hatte, war das
zumindest niemandem eine Meldung wert.
Ich entwickelte eine Routine: Seite anklicken, einen
Absatz lesen, über die Schulter beide Monitore prüfen. So verflog eine halbe
Stunde, und irgendwann hörte Shawns philosophieversessener deutscher GroÃvater
auf herumzuschreien. Ich seufzte erleichtert und klickte eine Seite mit
Klatschgeschichten über Stars an.
Zwei Seiten später, nachdem ich alles über jeden
gelesen hatte, der irgendwann zwischen heute und dem nächsten Jahrhundert
eventuell schwanger werden könnte, begann der deutsche Vortrag von vorne.
»Schlaf endlich, Shawn«, murmelte ich.
Und dann drehte ich mich um. Gelähmte Patienten waren
nicht gerade bekannt dafür, dass sie auf »Play« drücken konnten. Ich stand auf
und verrenkte mir den Hals auf der Suche nach einem Stab, den er vielleicht mit
den Zähnen zur Hilfe genommen hatte. Die Deutsch sprechende Stimme wurde immer
lauter.
Ich ging rüber. Shawn schlief tief und fest. Nur das
leise Zischen des
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