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Nightshifted

Nightshifted

Titel: Nightshifted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Grün.
    Â»Du willst mich wohl verarschen?«
    Neben dem CD -Player stand nur noch das Telefon auf dem Tisch. Und
dann fiel es mir auf – was zur Hölle sagte der Typ da eigentlich?
    Ich nahm den Hörer ab und wählte die Übersetzerhotline
des Krankenhauses. Erst kam nur die nächtliche Bandansage, doch ich wartete,
bis ich durchgestellt wurde.
    Â»Hallo, ich bräuchte bitte einen Übersetzer für
Deutsch.«
    Â»Einen Moment!«
    Aus dem Hörer kam Warteschleifenmusik, während im
Zimmer weiter Deutsch gesprochen wurde. Würde man es am Ende der Leitung überhaupt
hören können? Aber die Stimme konnte nicht nur in meinem Kopf existieren, Hello
Kitty hatte sie schließlich auch gehört, genau wie die Schwester von der
Nachmittagsschicht.
    Â»Hallo?«
    Â»Hallo, ich habe hier einen deutschen Patienten, und
ich brauche jemanden, der mir seine Fragen übersetzt. Kann ich Sie auf
Lautsprecher stellen?«
    Â»Natürlich.«
    Die Übersetzerin klang wesentlich munterer, als ich
mich fühlte. Vielleicht befand sie sich ja in einer Zeitzone, in der es draußen
hell war. Ich drückte die Lautsprechertaste und legte den Hörer weg.
    Der deutsche Vortrag ging immer weiter. Der Rhythmus
wechselte, aber es war immer derselbe, ernste Ton, und jetzt, wo ich bewusst
hinhörte, klang es für mich wie eine Bibelgeschichte, predigthaft und voll
versteckter Bedeutung.
    Â»Ist das eine Art Scherz?«, fragte die Übersetzerin
schließlich. »Oder ein Test?«
    Â»Was sagt er denn?«, drängte ich.
    Â»Ich glaube, er erzählt die Geschichte von Wieland
dem Schmied.«
    Â»Wirklich? Was ist das für eine Geschichte?«
    Â»Sie verschwenden meine Zeit …«
    Â»Wer braucht denn um diese Uhrzeit bitte sonst noch
einen deutschen Übersetzer?«
    Â»Ich spreche auch noch Tagalog«, erwiderte sie
beleidigt und legte auf.
    Nachdenklich musterte ich den kleinen CD -Player. So, so, Wieland
der Schmied also. Das war doch immerhin ein Anfang.
    Â 
    Sorgfältig
vervollständigte ich meine Akten, bevor ich mich online auf meine neueste
sinnlose Schnitzeljagd begab. Ich machte es mir hinter dem Schreibtisch
gemütlich, prüfte zweimal, ob die Stationsschwester mich nicht vielleicht doch
plötzlich sehen konnte, und begab mich dann auf die Suche nach Herrn Schmied,
genannt Wieland.
    Da die Firewall des County relativ durchlässig war,
fand ich ein paar Seiten. Es war eine uralte Geschichte, fast schon ein Mythos,
über einen Schmied, der großartige Juwelen und Waffen herstellen konnte. Ein böser
König wollte, dass Wieland nur noch für ihn arbeitete, also entführte er den
Schmied und durchtrennte seine Fußsehnen, um ihn zu lähmen und auf einer Insel
gefangen zu halten. Um sich zu rächen, tötete Wieland die Söhne des Königs, die
heimlich zu ihm gekommen waren, um selbst etwas schmieden zu lassen, machte
Trinkgefäße aus ihren Schädeln und Broschen aus ihren Zähnen und schickte diese
an den König. Am Ende floh er aus der Gefangenschaft, indem er sich ein Paar Flügel
schmiedete.
    Die Parallelen zwischen dem gelähmten Wieland aus der
Sage und dem quadriplegischen Shawn verstand ich wohl, es war allerdings schon
etwas morbide. Ich schaute zu Shawn, dessen Gesicht vom grünen Licht des
Players beschienen wurde. Vielleicht war es eine CD voller reizender
germanischer Sagen für Kinder, die im Krankenhaus lagen. Kinder lieben es doch,
wenn man ihnen mit dem Ofen droht, nur weil sie Süßigkeiten mögen. Aber wenn es
ihn wirklich tröstete, warum sollte ich das hinterfragen? Nach der Sache in Mr.
Novembers Wohnung war ich bereit, an Geister zu glauben. Ich holte die
Batterien aus meiner Tasche und legte sie wieder in das Gerät ein. »Bitte
entschuldige, Großvater.«
    Â 
    Ich hatte eine weitere
vergnügliche Stunde hinter mich gebracht, in der ich mit deutscher Untermalung
versuchte, das Ende des Internet zu erreichen, als plötzlich im Zimmer des
Babys das Telefon klingelte. Beim zweiten Klingeln musterte ich ungläubig den
Hörer. Da musste sich jemand verwählt haben. Der Anruf war doch bestimmt nicht
für ein acht Monate altes Baby. Ich ging rüber und griff nach dem Hörer.
    Â»Hallo?«
    Â»Edie? Hier ist Gina.«
    Â»Ooooh, vermisst ihr mich etwa?«, neckte ich sie.
    Â»Er ist ausgebrochen, Edie.«
    Â»Wer?«
    Â»Der

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