Nightshifted
Arbeit gehen musste. Aber ich hatte noch nicht sonderlich viele Ãberstunden
angesammelt, und jedes Mal, wenn ich mich krankmeldete, hatte ich Angst,
anschlieÃend grundlos gefeuert zu werden â es war schlieÃlich nicht so, als
hätten wir Schwestern auf Y4 eine Gewerkschaft, die uns schützte. Bei meinem
Glück würde ich genau dann gefeuert werden, wenn Jake sich den Cadillac aller
Cadillacs in die Vene spritzte, und was würde dann aus ihm werden? Er würde
herausfinden, dass er eben nicht Superman ist und doch noch high werden kann,
und fünf Sekunden später würde sein glückliches kleines Herz stehen bleiben.
AuÃerdem: Was sollte ich im Moment zuhause tun?
Wieder in depressionsbedingten Dauerschlaf fallen? Mir den Kopf darüber
zerbrechen, wie ich Anna retten konnte? Auf und ab wandern und mir Merle
Haggard anhören wie mein Dad?
Ich lenkte den Chevy in eine Lücke auf dem leeren
Besucherparkplatz und zog die Handbremse an. Nein, Arbeit war immer noch besser
als diese Alternativen. Hoffentlich.
Â
Heute bekam ich die
beiden Patienten von Maganda. Es war immer gut, die Schicht nach ihr zu haben:
Sie war eine winzige, energiegeladene Filipina. Gäbe es irgendetwas Dringendes
zu tun, hätte sie es bereits erledigt. Sie erinnerte mich stark an die
Krankenschwestern bei meinem letzten Job.
»Mr. Smith, den kennen Sie?«, fragte sie mich.
»Hatte ihn neulich schon.«
Sie nickte so heftig, dass ihre goldenen Ohrringe klimperten.
»Keine Veränderung!« Damit reichte sie mir das Krankenblatt rüber, damit ich es
abzeichnen konnte.
»Und dort?«, fragte ich mit Blick auf Zimmer vier,
während ich ein fast unleserliches »Spence, Krkschw.« hinkritzelte.
»Nicht so gut. Ist jetzt über den Berg, aber heute
Nachmittag war er noch auf dem Gipfel.« Sie lachte über ihr Wortspiel und ich
grinste zustimmend. »Zimmer vier kam heute Morgen rein, massiver Blutverlust.
Erst dachten sie, er wäre unterkühlt oder einfach nur völlig blau, wissen Sie?
Aber sein Hämatokritwert stabilisierte sich nur sehr langsam. Dann stellte sich
heraus, dass er einfach kein Blut mehr hatte â und Vampirbissspuren. Er kam
runter, und wir haben den ganzen Nachmittag Bluttransfusionen vorgenommen.
Bisher hatte er dreimal rote Blutkörperchen aus der Konserve, und dann habe ich
noch einen Hämatokrittest abgeschickt. Jetzt warten wir auf die Ergebnisse.«
Ich nickte. Auf Testergebnisse warten konnte ich gut.
Und falls seine Hämatokritwerte wieder niedrig waren, konnte ich auch noch mehr
Blutkonserven aufhängen. Kinderleicht. »Aber wie ist er in diesen Zustand
geraten?«
»Keine Ahnung.« Sie reichte mir die Krankenakte, und
ich unterschrieb.
»War er schon einmal Spender?«, fragte ich weiter und
schaute an ihr vorbei in das Krankenzimmer, wo die letzten Reste aus dem Beutel
in den Zugang am Ellbogen des Patienten flossen.
Sie nahm mir die Akte wieder ab und klappte sie zu.
»Spielt keine Rolle â jetzt ist er einer.«
Ich nickte wieder und wartete ab, bis sie gegangen
war, bevor ich die Akten durchblätterte. Auch wenn ich unglaublich gespannt war
auf ein Wiedersehen mit Ti â ohne genau zu wissen warum, ich war es einfach â,
war mir doch klar, dass ich meine Aufmerksamkeit zuerst dem frischgebackenen
Spender zuwenden musste.
Der Bericht aus der Notaufnahme enthielt eine wahre
Perle: »Vermutliche Ursache: Angriff durch tollwütige Katze«. Echt? Bessere Tarngeschichten
hatten wir nicht auf Lager? Ich schrieb die Medikamente auf, die er brauchte,
schob mir den Zettel in die Tasche, sorgte dafür, dass ich präsentabel aussah,
und betrat dann das Krankenzimmer.
»Guten Abend, Mr. Galeman«, sagte ich, als ich mich
lächelnd am Fuà seines Bettes postierte. Aus Mr. Galemans Akte ging hervor,
dass er gerade mal vierzig war, aber ein Leben in der Sonne hatte seine Haut
faltig und dunkel werden lassen, und so wirkte er auf mich eher wie sechzig.
Eigentlich nicht der Typ, von dem man meinen sollte, dass ein Vampir ihm
einfach so über den Weg lief. Doch trotzdem war sein Hals mit einem dicken
Druckverband versehen.
»Howdy«, erwiderte er und klopfte dann gegen den
gelben Beutel mit Nährlösung, der am Kopf seines Bettes hing. »Ich schätze, da
ist kein Bier drin, oder?«
»Vitamine, kein Veltins. Tut mir leid, Mr. Galeman.«
Ich nahm das Stethoskop vom
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