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Nightshifted

Nightshifted

Titel: Nightshifted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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startete den Wagen, und wir
fuhren weiter.
    Â 
    Mrs. Madigan hieß mit
Vornamen Rita. Während sie am Herd stand und in ihren Töpfen rührte, musterte
ich sie von oben bis unten mit meinem komischen linken Auge, aber von ihr ging
kein seltsames Leuchten aus. Außerdem lernte ich Jenny kennen – eine
Zwölfjährige mit leuchtend roten Rattenschwänzen –, Jimmie – einen fröhlichen Sechsjährigen
mit schwarzen Haaren –, und Jack – einen pubertierenden Vierzehnjährigen,
dessen Stimme immer wieder kippte. Ihr Vater stellte mir alle drei ganz
ernsthaft vor, und ich tat so, als hätte ich keinen von ihnen je zuvor gesehen.
    Rita war hervorragend in Small Talk und unterhielt
uns mit Geschichten über ihre Zeit in den Tretmühlen des Kraftverkehrsamts, wo
sie als Kassiererin in der Kundenbetreuung gearbeitet hatte. Anscheinend war
Madigan einmal spät dran gewesen mit der Zahlung seiner Zulassungsgebühren,
hatte sie dafür aber zum Lachen gebracht, und dann ging alles seinen Lauf.
Madigan und Ti hingegen erzählten Anekdoten aus ihrem Leben bei der Feuerwehr –
dort hatten sie sich vor Ewigkeiten kennengelernt. Die Kinder waren furchtbar
höflich, solange sie nicht extra meinetwegen Dinge brüllten wie: »Erzähl doch
die Geschichte von der Katze auf dem brennenden Dach, Dad!«
    Dort zu sitzen und mit ihnen zu essen war ein
merkwürdiges Gefühl. Sie wussten, dass ich es wusste, ich wusste, dass sie es
wussten, und da waren wir nun: ein Zombie, einige Werwölfe und/oder Werhunde
und ich, eine Krankenschwester, die langsam echt Übung im Umgang mit Vampiren
bekam. Die Tatsache, dass es mir völlig normal vorkam, mit ihnen zusammen zu
sein, ganz egal, wie unterschiedlich wir waren, erstaunte mich. Und wenn ich
sah, wie Ti und Madigan miteinander umgingen, wurden fremdartige und selten
genutzte Regionen meines Herzens ganz warm. Ich kniff das rechte Auge zu und
schaute vorsichtshalber an mir herunter.
    Â»Also gut, Kinder – Tisch abräumen. Edie muss gleich
zur Arbeit«, erklärte Rita, was allgemeines Murren auslöste.
    Â»Kannst du nicht noch bleiben?«, fragte Jenny mich.
Nach dem Rührkuchen mit Schokoladeneis hatte sie sich auf meinen Schoß gesetzt,
und ich hatte ihr die Zöpfe geflochten.
    Â»Ich wünschte, es ginge, aber ich kann nicht. Wenn
wir nicht bald aufbrechen, werde ich zu spät zur Arbeit kommen.«
    Â»Los jetzt, Kinder, die Teller«, mahnte Rita.
    Jenny rutschte von meinem Schoß und schnitt eine
Grimasse, nahm dann aber ihren Teller mit in die Küche. Pflichtbewusst
schnappte ich mir mein Geschirr und folgte ihr. »Wann kommst du uns wieder
besuchen, Onkel Ti?«, hörte ich Jimmies Stimme hinter mir.
    Â»Noch mal vielen Dank«, sagte ich in der Küche zu
Rita, während ich meinen Teller in die Spüle stellte.
    Â»Er verlässt zu oft die Stadt«, murmelte Rita kaum
hörbar. »Sorg dafür, dass er hierbleibt, okay? Vermassele es nicht.«
    Ich nickte. Es war nicht meine Absicht, irgendetwas
zu vermasseln. Wie auch? Es gab schließlich keinen Grund.
    Â 
    An diesem Abend hatte
wohl niemand weniger Lust in die Arbeit zu gehen als ich. Die Kinder
verabschiedeten sich alle mit einer Umarmung, bevor sie mich aus der Tür
ließen. Während ich zu Tis Wagen ging, wurde die Hälfte meines Bewusstseins von
Selbstmitleid eingenommen. Die andere Hälfte beschäftigte sich mit der
Tatsache, dass ich keine Ahnung hatte, was ich zu ihm sagen sollte. Er öffnete
die Wagentür für mich, und ich stieg ein.
    Â»Also, wie lange lebst du eigentlich schon?«, fragte
ich, sobald er sich angeschnallt hatte.
    Kichernd startete er den Wagen. »Ich bin älter als
du.«
    Â»Das hat nicht viel zu sagen.« Ich war
fünfundzwanzig. Erst Highschool und dann – dank eines tief sitzenden
Verlangens, mein Pferd zu satteln und aus der Stadt zu verschwinden, was die Bereitschaft
mit einschloss, Ausbildungsdarlehen aufzunehmen – der verkürzte
Krankenschwesternlehrgang am örtlichen College. »Wie viel älter?«
    Â»Ich bin nicht hundertprozentig sicher«, erwiderte er
und lenkte den Wagen aus Madigans Einfahrt.
    Â»Du hast es vergessen?«
    Â»Mir fehlt die Hälfte meiner Seele. Da wird man hin
und wieder etwas vergesslich.«
    Ungefähr einen halben Block weit schwiegen wir. Ich
war ein echt toller Gesprächspartner.

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